Grete Minde
Aber was Feins und Zierlichs.«
Und Hinterlachr sang:
»Zu Bacharach am Rheine,
Da hat mir's wohlgetan,
Die Wirtin war so feine.
So feine,
Und als wir ganz alleine...«
»Ach, dummes Zeug. Immer Weiber und Weiber. Aber sie denken nicht dran; und am wenigsten, was eine richtige Wirtin ist. Sie lachen dich aus. Nazerl, mach du dein Sach. Aber nichts von den Weibern; hörst du. Halt dich an
das!
« Und dabei schob er ihm eine frische Kanne zu, die der Wirt eben hereingebracht hatte.
Und Nazerl hob an:
»Der liebste Buhle, den ich hab,
Der liegt beim Wirt im Keller,
Er hat ein hölzins Röcklein an
Und heißet Muskateller:
Hab manche Nacht mit ihm verbracht,
Er hat mich immer glücklich 'macht, glücklich 'macht,
Und lehrt mich lustig singen.«
»Das ist recht. Der liebste Buhle, den ich hab...
das
gefällt mir. Der Nazi hat's getroffen. Was meinst, Zenobia?«
Und alle wiederholten den Vers und stießen mit ihren Kannen und Bechern zusammen.
»Ihr müßt nicht so lärmen, sagte jetzt der, der mit Bacharach am Rheine« so wenig durchgedrungen war. »Er liegt grad über uns, und ich glaub, er macht es nicht lange mehr.«
Zenobia nickte.
So ging's unten her. Ober ihnen aber, auf einer Schütte Stroh, drüber ein Laken gebreitet war, lag ein Kranker, ein Kissen unterm Kopf und mit ein paar Kleidungsstücken zugedeckt. Neben ihm, auf einem Fußschemel, saß eine junge Frau, blaß und fremd, und hielt mit ihrer Rechten den Henkel eines als Wiege dienenden Korbes, mit ihrer Linken die Hand des Kranken. Dieser schien einen Augenblick geschlafen zu haben, und als er jetzt die Augen wieder öffnete, beugte sie sich zu ihm nieder und fragte leise: »Wie ist dir?«
»Gut.«
»Ach, sage nicht gut. Deine Stirn brennt, und ich seh, wie deine Brust fliegt. Mein einzig lieber Valtin, vergib mir, sage mir, daß du mir vergibst.«
»Was, Grete? Was soll ich dir vergeben?«
»Was? was? Alles, alles! Ich bin schuld an deinem Elend, und nun bin ich schuld an deinem Tod. Aber ich wußt es nicht anders, und ich wollt es nicht. Ich war ein Kind noch, und sieh, ich liebte dich so sehr. Aber nicht genug, nicht genug, und es war nicht die rechte Liebe. Sonst wär es anders gekommen, alles anders.«
»Laß es, Grete.«
»Nein, ich laß es nicht. Ich will mein Herz ausschütten vor dir. Ach, sonst beichten die Sterbenden, ich aber will
dir
beichten, dir.«
Er lächelte. »Du hast mir nichts zu beichten.«
»Doch, doch. Viel, viel mehr, als du glaubst. Denn sieh, ich habe nur an
mich
gedacht; das war es; da liegt meine Schuld.
Es kommt alles von Gott, auch das Unrecht, das man uns antut, und wir müssen es tragen lernen. Das hat mir Gigas oft gesagt, so oft; aber ich
wollt
es nicht tragen und hab aufgebäumt in Haß und in Ungeduld. Und in meinem Haß und meiner Ungeduld hab ich dich mit fortgezwungen und habe dich um Glück und Leben gebracht.«
Er schüttelte den Kopf und wiederholte nur leise: »Laß es, Grete. Du hast mich nicht um das Glück gebracht. Es war nur anders als andrer Leute Glück. Weißt du noch, als wir auf dem Floß fuhren und das Schilf streiften und die Wasservögel aufflogen, ach, wie stand da der Himmel so blau und golden über uns, und wie hell schien uns die Sonne! Ja, da waren wir glücklich. Und als wir dann auf Lübeck zogen und das Holstentor vor uns hatten, das uns mit seinen grünen und roten Ziegeln ansah, und dann Musik und Fahnenschwenker auf uns zukamen, als ob man uns einen Einzug machen wolle, da lachten wir und waren froh in unserem Herzen, denn wir nahmen es als ein gutes Zeichen und wußten nun, daß wir gute Tage haben würden. Und wir
hatten
sie auch, und hätten sie noch, denn fleißige Tage sind gute Tage, wenn nicht der Streit gekommen wär, der Streit um viel und nichts... Er dacht eben, er dürf es dir ansinnen, weil wir arm waren und er reich und eines Ratsherrn Sohn. Und da war es denn freilich aus... Aber laß, Grete. Was wir gehabt haben, das haben wir gehabt. Und nun gib mir das Kind, daß ich mich seiner freue.«
Grete war aufgestanden, um ihm das Kind zu geben; eh sie's jedoch aufnehmen konnte, befiel ihn ein Stickhusten, wohl von der Anstrengung des Sprechens, und als der Anfall endlich vorüber war, lag er schweißgebadet da, matt und halbgeschlossenen Auges, wie ein Sterbender.
So vergingen Minuten, bis er sich wieder erholt hatte und trinken zu wollen schien. Wenigstens sah er sich um, als such er etwas. Und wirklich, neben seinem Lager stand
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