Grieche sucht Griechin - Grotesken
Bären und Riesenmännern, die über die Villen, Bankgebäude, Regierungsbauten und Palais rutschten, sich ineinander verschoben, aufstiegen und sich auflösten. Blauer Himmel schimmerte zwischen den Nebel-massen, undeutlich, zart zuerst, nur eine Ahnung von Frühling, der ja noch ferne war, von Sonnenlicht, unendlich fein, dann klarer, strahlender, mächtiger. Auf dem nassen Asphalt machten sich mit einem Male die Schatten der Gebäude, der Laternen, der Denkmäler, der Menschen bemerkbar, und plötzlich traten alle Gegenstände überdeutlich hervor, glänzend im 23
niederbrechenden Licht.
Sie befanden sich am Quai vor dem Staatspräsidenten-Palais.
Der Strom war braun und mächtig angeschwollen. Brücken mit rostigen Eisengeländern spannten sich über ihn, leere Lastschiffe zogen davon, windelnbehängt und mit frierenden Kapitänen, die, Pfeife rauchend, auf und ab schritten. Es wimmelte von sonntäglichen Spaziergängern, von feierlichen Großvätern mit herausgeputzten Enkeln, von Familien, die auf den Trottoirs Reihen bildeten. Polizisten standen herum, Reporter, Journalisten, offenbar den Staatspräsidenten erwar-tend, der denn auch in seiner historischen Karosse aus dem Palais hervorbrach, gezogen von sechs Schimmeln, von seiner berittenen Leibwache mit den goldenen Helmen und den weißen Federbüschen begleitet, irgendwo irgendeinen politischen Akt zu vollziehen, ein Denkmal einzuweihen, einen Orden an einen Busen zu heften oder ein Waisenhaus zu eröffnen. Pferdegetrampel, Fanfarengeschmetter, Hochrufe, Hüte erfüllten die vom Nebel, vom Regen geläuterte Luft.
Da geschah das Unfaßbare.
Im Moment als der Staatspräsident an Chloé und Archilochos vorbeifuhr und Arnolph, erfreut über seine unverhoffte Begegnung mit Nummer eins seiner Weltordnung (die zu erklären er im Begriffe war), nach der spitzbärtigen und ergrauten Exzel-lenz spähte, die, goldübersät, vom Fenster seiner Karosse eingerahmt, genau dem Bilde glich, das über den Pernod- und Campariflaschen Madame Bielers hing, grüßte mit einem Male der Staatspräsident den Unterbuchhalter, indem Seine Exzel-lenz mit der rechten Hand winkte, als wäre Archilochos ein alter Bekannter. Und so augenscheinlich war dieses Aufflattern eines weißen Handschuhs, und so deutlich galt es ihm, daß zwei Polizisten mit stattlichen Schnurrbärten Achtungstellung annahmen.
»Der Staatspräsident grüßte mich«, stotterte Archilochos fassungslos.
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»Warum soll er dich denn nicht grüßen?« fragte Chloé Saloniki.
»Ich bin doch nur ein unbedeutender Staatsbürger!«
»Als Staatspräsident ist er unser aller Vater«, erklärte Chloé den seltsamen Vorgang.
Da trat ein weiteres Ereignis ein, das Archilochos zwar auch nicht begreifen konnte, das ihn aber mit neuem Stolz erfüllte.
Eigentlich wollte er gerade auf Nummer zwei seiner Weltordnung zu sprechen kommen, auf den Bischof Moser und auf den eminenten Unterschied, der sich zwischen den Altneu- und den Altpresbyteranern der vorletzten Christen gebildet hatte, um dann noch kurz die Neupresbyteraner zu streifen (diesen Skandal innerhalb der presbyteranischen Kirche), als ihnen Petit-Paysan begegnete (Nummer drei der Weltordnung, eigentlich noch nicht an der Reihe), sei es, daß er aus der Weltbank, fünfhundert Meter vom Staatspräsidenten-Palais entfernt, sei es, daß er aus der St. Lukas-Kathedrale kam, die neben der Weltbank stand. Er war in tadellosem Mantel, mit Zylinder und weißem Halstuch, knisternd vor Eleganz. Sein Chauffeur hatte schon die Türe des Rolls-Royce geöffnet, als Arnolph Petit-Paysans ansichtig wurde. Arnolph wurde unsicher. Das Ereignis war einmalig und im Hinblick auf die Erläuterungen, die er Chloé über seine Weltordnung eben gab, instruktiv. Der Großindustrielle kannte Archilochos nicht, konnte ihn auch nicht kennen, war er doch nur ein Unterbuchhalter in der Geburtszangenabteilung, was wiederum Archilochos den Mut gab, auf den Erhabenen hinzuweisen, wenn auch nicht den Mut, ihn zu grüßen (man grüßt keinen Gott). Und so war Archilochos zwar erschrocken, doch geborgen im Bewußt-sein, unerkannt am Gewaltigen vorbeiziehen zu dürfen, als, wie eben beim Staatspräsidenten, das Unfaßbare zum zweiten Male geschah: Petit-Paysan lächelte, zog seinen Zylinder, schwenkte ihn, verbeugte sich artig vor dem erbleichenden Archilochos, ließ sich darauf in die Polster seiner Limousine fallen, winkte 25
noch einmal und brauste davon.
»Das war doch Petit-Paysan«,
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