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Grieche sucht Griechin - Grotesken

Grieche sucht Griechin - Grotesken

Titel: Grieche sucht Griechin - Grotesken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Male herrschte, diese gespenstische Stille, in der nicht ein Glas klirrte, in der kein Atemzug zu hören war, beunruhigte ihn so, daß er seine Brille nicht gleich aufsetzen konnte. Kaum hatte er dies jedoch getan, setzte er sie noch einmal ab, um aufgeregt aufs neue an ihr herumzureinigen. Es war nicht zu glauben. Ein Wunder war geschehen, in einer kleinen Finte, bei Nebel und Regen. Zu diesem dicklichen Junggesellen und scheuen Menschenfreund, eingesperrt in eine stinkende Mansarde, verschanzt hinter 18

    seiner Milch und seinem Mineralwasser, zu diesem mit Prinzipien beladenen und mit Hemmungen befrachteten Unterbuchhalter eines Unterbuchhalters mit seinen ewig feuchten und zerrissenen Socken und seinem ungebügelten Hemd, mit den viel zu kurzen Kleidern, den ausgetretenen Schuhen und verkehrten Meinungen, kam ein so zauberhaftes Wesen, ein so reines Märchen an Schönheit und Grazie, eine so echte kleine Dame, daß sich Georgette nicht zu rühren wagte und Auguste die Radrennfahrerbeine geniert hinter dem Ofen versteckte.
    »Herr Archilochos?« fragte eine leise, zögernde Stimme.
    Archilochos erhob sich, kam mit dem Ärmel an die Tasse, wobei die Milch über seine Brille lief. Endlich hatte er sie wieder auf, und durch die Milchstriemen hindurch blinzelte er nach Chloé Saloniki, ohne sich zu rühren.
    »Noch eine Tasse Milch«, sagte er endlich.
    »O«, lachte Chloé, »mir auch.«
    Archilochos setzte sich, ohne den Blick von ihr wenden zu können und ohne sie einzuladen, was er doch gerne getan hätte.
    Er fürchtete sich, die unwirkliche Situation bedrückte ihn, und er wagte nicht, an seine Annonce zu denken; verlegen nahm er die Rose von seinem Kittel. In jedem Augenblick erwartete er ihr enttäuschtes Sichumwenden und Fortgehen. Vielleicht dachte er auch, daß er nur träume. Wehrlos war er der Schönheit dieses Mädchens ausgeliefert, dem Wunder dieses Augenblicks, das nicht zu begreifen war, und von dem er nicht hoffen durfte, daß es mehr denn eine kurze Zeitspanne daure. Er fühlte sich lächerlich und häßlich, riesengroß tauchte mit einem Male die Umgebung seiner Mansarde auf, die Trostlosigkeit des Arbeiterviertels, in welchem er wohnte, die Eintönigkeit seiner Buchhalterei; aber sie setzte sich einfach an seinen Tisch, ihm gegenüber, und sah ihn mit großen, schwarzen Augen an.
    »O«, sagte sie glücklich, »so nett habe ich dich mir nicht vorgestellt. Ich bin froh, daß wir Griechen uns gefunden haben.
    Aber komm, deine Brille ist voll Milch.«

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    Sie nahm sie ihm vom Gesicht und reinigte sie, offenbar mit ihrem Halstuch, wie es dem kurzsichtigen Archilochos schien, hauchte an die Gläser.
    »Fräulein Saloniki«, würgte er endlich hervor, als spreche er sein eigenes Todesurteil aus: »Ich bin vielleicht nicht so ganz ein richtiger Grieche mehr. Meine Familie ist zur Zeit Karls des Kühnen eingewandert.«
    Chloé lachte: »Grieche bleibt Grieche.«
    Dann setzte sie ihm die Brille auf, und Auguste brachte die Milch.
    »Fräulein Saloniki …«
    »Sag doch Chloé zu mir«, sagte sie, »und ›du‹, jetzt da wir heiraten, und ich will dich heiraten, weil du ein Grieche bist.
    Ich will dich einfach glücklich machen.«
    Archilochos wurde rot. »Es ist das erste Mal, Chloé«, sagte er endlich, »daß ich mit einem Mädchen rede, sonst nur mit Madame Bieler.«
    Chloé schwieg, schien über etwas nachzudenken, und beide tranken die heiße, dampfende Milch.

    Nachdem Chloé und Archilochos das Lokal verlassen hatten, fand Madame Bieler die Sprache wieder.
    »So was Piekfeines«, sagte sie. »Nicht zu glauben. Und ein Armband hatte sie, und eine Kette um den Hals, Hunderttau-sende von Franken. Muß tüchtig gearbeitet haben. Und hast du den Mantel gesehen? Was dies nur für ein Pelz ist! Eine besse-re Frau kann man sich gar nicht wünschen.«
    »Blutjung«, staunte Auguste noch immer.
    »Ach was«, antwortete Georgette und füllte sich ein Glas mit Campari und Siphon, »die ist schon über dreißig. Aber herge-richtet. Die läßt sich jeden Tag massieren. «
    »Tat ich auch«, meinte Auguste, »als ich die Tour de Suisse gewann«, und schaute wehmütig auf seine dünnen Beine:
    »Und ein Parfüm!«

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    3

    Chloé und Archilochos standen auf der Straße. Es regnete immer noch. Auch der Nebel war noch da, finster, und die Kälte, die durch die Kleider drang.
    Am Quai gebe es ein alkoholfreies Restaurant gegenüber dem Weltgesundheitsamt, sagte er endlich: »Ganz billig.«
    Er fror in seinem

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