Grimes, Martha - Mordserfolg
Ned. »Ich habe eigentlich gar nicht so viel Erfahrung mit verschiedenen Verlagen. Mein erstes Buch ist bei Downtown erschienen. Und danach bin ich zu Mackenzie gegangen.«
Downtown hatte allzu verkrampft versucht, sich einen elitären Anstrich zu geben, und war kaum ein Jahr nach Verlagsgründung wieder eingegangen. Man hatte kaum genug Zeit gehabt, Ned Isalys Buch vollends herauszubringen. Bei der Kritik hatte es jedoch viel Aufmerksamkeit erregt, was wiederum dazu geführt hatte, dass mehrere Verlage bei ihm auf der Matte standen.
»Vor zwölf Jahren wurde das veröffentlicht.« Ned schob die Ledermappe wieder auf die andere Seite, wo er sie sich unter den Arm klemmte.
»Vor zwölf Jahren konnte man ja noch unaufgefordert Manuskripte einreichen. Probieren Sie das heute mal. Da können Sie genau so gut versuchen, ein Kamel durchs Nadelöhr zu kriegen. Was ist denn in der Mappe, die Sie da so bewachen?«
»Ach, das? Ein Teil von einem Manuskript.«
»Das bringen Sie hierher, um es anzubieten? Na, es sind jedenfalls genug Buchmenschen hier, dass es sich lohnen könnte.«
Ned lächelte. »Nein, unwahrscheinlich.« Er ließ sich nicht weiter darüber aus. »Übers Büchermachen denke ich eigentlich bloß dann nach, wenn ich mich frage, wie es wohl vor fünfzig, sechzig Jahren gewesen sein muss. Allerdings«– er zuckte die Achseln –»stelle ich mir bei allem gern vor, wie es vor sechzig Jahren war.«
»Dann ist es Ihnen alles –«
»Was?«
Paul zögerte. Egal , hatte er schon sagen wollen, aber das war der falsche Ausdruck. »Ich wollte sagen – wenn Sie plötzlich ohne Verlag dastünden, wie würde das Ihr Schreiben beeinflussen?«
Ned musterte ihn verständnislos. »Sollte es das denn?«
Sollte es ? Teufel auch, da verschlug es einem glatt die Sprache. »Wenn dieses Buch«– Paul tippte mit seinem Glas an die Ledermappe –»nicht veröffentlicht würde, wie würden Sie sich dann fühlen?«
»Dieses Buch?« Ned blickte auf die Mappe hinunter.
»Ja. Würden Sie einfach weiterschreiben?«
Ned schien ehrlich verwirrt zu sein. Paul musste innerlich schmunzeln, weil Ned ihn ansah wie einen Menschen von etwas bescheidenen geistigen Fähigkeiten und beschränkter Vorstellungskraft. »Natürlich. Sie etwa nicht? Schließlich gibt es bei Verlagen auch ein Kommen und Gehen.«
Paul hatte den Eindruck, Ned Isaly scherte sich einen Dreck um solche Dinge. Es war, als tauchte er nur gelegentlich im Leben auf – so wie er auf dieser Party aufgetaucht war – aus reiner Höflichkeit.
Nun saß Paul also in seinem Büro, betrachtete die Auswahlliste und erinnerte sich an dieses Gespräch. Er strich die anderen Verlage und die beiden anderen Autoren durch, so dass Ned Isaly. Mackenzie-Haack übrig blieb.
Beim Sushi fragte Molly: »Hast du dich eigentlich schon für einen Verlag entschieden?«
»Ja. Mackenzie-Haack.«
»Ist das der beste?«
»Nein. Das ist der schlimmste.« Paul grinste und aß weiter.
2
Nicht weit von Sauls Wohnung befand sich ein kleiner Park, der fast immer menschenleer war bis auf einen Stadtstreicher mit seinem Hund, ein schmachtvoll dreinblickendes Gespann, dem Saul immer eine Kleinigkeit zukommen ließ (eine erstaunlich großzügige Kleinigkeit), was vermutlich der Grund war, weshalb die beiden nicht weiter in die Ferne schweiften. Der Hund (ein betagter, offenbar reinrassiger Golden Retriever) setzte sich immer aufrecht hin und klopfte heftig mit dem Schwanz ins Gras, wenn er Saul kommen sah.
Saul mochte diesen Park, schon allein wegen dieser Leere, als wären er und seine Freunde (und der Stadtstreicher und sein Hund) die Einzigen, die von seiner Existenz wussten, was eigentlich unerklärlich war, weil in Manhattan jedes grüne Fleckchen sofort von Leuten überlaufen wurde. Doch die Einzigen, denen er sonst noch hier begegnete, waren Ned und Sally. Neds Wohnhaus und seine Wohnung lagen direkt gegenüber, und wenn Saul auf seiner Bank gelegentlich aufblickte, konnte er Ned winken sehen. Alle drei – wenn er den Stadtstreicher dazuzählte, alle vier – nutzten diesen Park manchmal als Treffpunkt.
Der Stadtstreicher hatte wenig zu sagen, was er sagte, klang jedoch überzeugend: »Ich bin Stadtstreicher, nicht einer von diesen ›Obdachlosen‹.« Er schien fast stolz darauf, das Kind beim Namen zu nennen. Ebenfalls stolz schien er auf die Tatsache, einer aussterbenden Art anzugehören und nicht dieser neumodischen Gattung. Normalerweise sagte der Stadtstreicher aber gar
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