Grimes, Martha - Mordserfolg
Er erzählte ihr das mit dem Old Hotel. »Wir sind drin! Morgen Abend!«
Molly schüttelte bloß ihren vom Kissen zerzausten Kopf und tat seine Eröffnung lässig ab. »Ach, der alte Schuppen.« Sie wandte sich zum Gehen.
Er starrte ihr entgeistert hinterher. »›Der alte Schuppen‹? Was? Was?«
Ihre Stimme schwebte zu ihm zurück. »Die haben doch alle eine Macke. Gutes Nächtlein!«
Paul starrte durch seine offene Tür auf den Flur, in den sie entschwunden war. Dann rief er: »Haben sie nicht!« Und fragte sich, wieso er nicht glauben wollte, dass sie im Old Hotel alle eine Macke hatten. Die Vorstellung fand er äußerst irritierend. Er murmelte etwas, was nicht einmal er selber verstand.
Dann drehte er sich in seinem Stuhl herum und schaute auf seinen Computermonitor mit dem Gruselhaus als Bildschirmschoner. Er hatte noch eine alte tragbare Royal, auf der er immer die Rohfassung tippte, weil ihm das Geräusch der Tasten so gefiel und ihm das Gefühl gab, er arbeitete schwerer und eher wie ein echter Schriftsteller. Wenn er einen Fehler machte, tippte er ein X darüber. Am Ende war die Seite über und über mit Kreuzchen schraffiert.
In einem rollbaren Karteikasten bewahrte er Manuskripte und Teile von Manuskripten auf. Er zog ihn zu sich her und holte das dicke Manuskript des Romans hervor, den er vor Don’t Go There geschrieben hatte. Er hieß Half a Life und war über zwei Millionen Mal verkauft worden. Zurückbekommen hatte er das Originalmanuskript, das er Queeg & Hyde damals eingereicht hatte. Man hatte es ihm einige Zeit nach Veröffentlichung des Buches zurückgeschickt, was gängiger Praxis entsprach. Jetzt wollte er sich die beigelegte Notiz einmal genauer ansehen. Da war sie, mit einer Büroklammer am Manuskript befestigt. Paul erkannte die Handschrift – er hatte sie oft genug gesehen – von DeeDee Sunup, der beflissenen kleinen Speichelleckerin, die großspurig vermerkt hatte:
Lieber Paul,
hiermit senden wir Ihnen die „Foul Matter“ von Half a Life zurück.
Als er diesen Satz zum ersten Mal gesehen hatte, war er vor Lachen fast erstickt (und Hannah war hereingerannt gekommen, um ihm kräftig auf den Rücken zu klopfen). DeeDee Sunup (und ihresgleichen) konnte in dem Ausdruck jedoch keinen Humor, keine Ironie oder gar irgendetwas Kabbalistisches ausmachen. »Foul Matter«: So nannten sie in den Verlagen all die in Reglosigkeit erstarrten, unredigierten Originalmanuskripte, bevor sie mit blauen und roten Bleistiften vollgekritzelt, lektoriert, überarbeitet, zu Tode zerpflückt worden waren. Dies war der erste Blick auf das Buch, das Manuskript, dem man das Mark auszusaugen, das Blut abzuzapfen, das Leben auszuschwemmen trachtete, und das Buch dabei zu Berühmtheit oder Bedeutungslosigkeit zurechtstutzte, wobei es nicht darauf ankam, welches von beidem.
Was ihm hier zurückgeschickt worden war, war seine Foul Matter. Das klebrige Zeug, der Schlick, der Matsch, das, was vor Auftragsvergabe, Verkaufszahlen, Anzeigen und Rezensionen kam. Und doch steckte im Original das beste Bemühen des Schriftstellers, war dies das Werk, das er gewillt war, in die Welt hinauszuschicken, und nach dem er sich beurteilen lassen wollte.
Paul setzte sein teuflisches Grinsen auf und zog ein Blatt Papier in die alte Royal ein. Dann tippte er:
Epighraph
FOUL MATTER
oder
Mordserfolg
von
Paul Giverney
Das verdammte Buch würde sich praktisch von selber schreiben.
Über das Buch
Bestsellerautor Paul Giverney ist für Überraschungen bekannt. Doch nun versetzt er die New Yorker Verlagswelt in Aufruhr. Zum großen Staunen aller kündigt er nämlich eines Tages einen Verlagswechsel an. Seine Beweggründe sind nicht nachvollziehbar, denn sein Verleger hat Giverney zu einem der erfolgreichsten Autoren Amerikas gemacht: Millionenfach haben sich seine Romane verkauft, stets hat er es an die Spitze der Bestsellerlisten geschafft. Und daher reißen sich die Verleger geradezu um ihn. Doch Giverney geht es bei diesem Coup nicht um noch mehr Geld, er hat Perfideres im Sinn: Mit machiavellistischer Lust treibt er ein teuflisches Spiel, denn er will herausfinden, wie weit ein Verleger aus Profitgier gehen würde. Wäre ihm jedes Mittel recht, einen erfolgreichen Autor unter Vertrag zu nehmen – selbst wenn er dabei über Leichen gehen müsste?
Tod eines Autors: eine hinreißende Satire auf die internationale Verlagswelt, verwoben mit einer rasanten Kriminalhandlung – witzig, scharfzüngig,
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