Grimm 2: Die Schlachtbank (German Edition)
seinen wilden Lebenswandel aufgegeben hatte, um zum abstinenten
Blutbader
zu werden. Da es nicht sicher für einen geläuterten Süchtigen war, sich mit jenen zu treffen, die noch immer davon abhängig waren, hatte sich Monroe von seinen furchterregenden Brüdern abgespalten, um nicht in seine alten Verhaltensweisen zurückzufallen.
„Ich bin überzeugt davon, dass man sich neuen Dingen öffnet, wenn man einigen alten abschwört“, erklärte Monroe. „Das gilt auch für einen gesünderen Lebenswandel. Weniger Zorn, Blutvergießen und Gedächtnisverluste. Du solltest es auch mal versuchen.“
„Ha!“, erwiderte Decker lautstark. „Wo bleibt denn da der Spaß? Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als du mit uns gelaufen bist. Als wir zusammen gelaufen sind. Damals, als du noch mit … Wie hieß sie noch gleich? Ach ja, Angelina … Als du mit Angelina zusammen warst. Und ihrem Bruder Hap. Triffst du dich noch ab und zu mit ihnen?“
„Nein, überhaupt nicht mehr. Habe sie schon seit einer Weile nicht mehr gesehen“, antwortete Monroe und spürte, wie die Schuldgefühle aufgrund von Haps Tod wieder in ihm hochstiegen. „Das ging nicht gut aus.“
„Mach dir nichts draus, Bruder“, meinte Decker und schlug Monroe auf die Schulter. „Immer nach vorn blicken, nicht wahr? Vollgas, und nichts bereuen.“
„Hey, Mann, wenn das bei dir funktioniert, ist das super“, meinte Monroe. „Ich halte dir das nicht vor. Jeder kann so leben und laufen, wie er mag.“
Decker sah sich erneut um. „Verdammt friedlich hier.“
„Was führt dich hierher?“
„Nach Portland?“
„Ja, das auch, aber ich meinte eigentlich
hierher
“, meinte Monroe. „Auf diesen Bauernmarkt.“
„Ich bin nur auf der Durchreise“, antwortete Decker. „Immer unterwegs, du verstehst? Ich wollte eine oder zwei Wochen hier bleiben und dann weiterziehen.“
„Und was machst du auf diesem Markt?“, beharrte Monroe, der spürte, dass ihm sein alter Freund nicht alles sagte. Decker war schon immer ein Mann gewesen, der viel sagte, aber dennoch wenig verriet, und Monroe hatte schnell gelernt, sein andauerndes sinnloses Geplapper hin und wieder auszublenden.
„Ich will jemanden treffen.“
„Jemanden? Ach was? Wen denn genau?“
Decker sah ihn einen Augenblick lang mit ausdrucksloser Miene an und schmunzelte dann.
„Einfach nur irgendjemanden, okay? Eine Zufallsbekanntschaft. Ist nicht weiter wichtig.“
„Soll es denn wichtig werden?“
„Ich weiß nicht, Mann“, erwiderte Decker. „Mein Leben läuft einfach viel zu schnell. Ich hab keine Zeit, mich irgendwie zu binden.“
„Genau“, meinte Monroe. „Immer auf Achse.“
Einige Sekunden verstrichen, und ein betretenes Schweigen machte sich zwischen ihnen breit, das beide Männer als unangenehm zu empfinden schienen und das Monroe nur zu deutlich bewusst machte, dass er sich durch seinen Lebenswandel von seinen alten Freunden abgespalten hatte. Zum Großteil war das auch seine Absicht gewesen, da er den Verlockungen aus dem Weg gehen wollte, um gar nicht erst in Versuchung zu geraten und die alten Gewohnheiten wieder aufzunehmen. Er bedauerte es nicht, dass es so gekommen war. Außerdem hatte er jetzt neue Freunde – auch wenn dazu sogar ein Grimm gehörte! Und Rosalee. Er führte ein ruhiges, aber auch interessantes Leben, das genug Romantik enthielt, um nicht langweilig zu werden. Der Reiz seines alten Lebens und der Freunde, die er aus diesen wilden Zeiten kannte, war nur noch ein fernes Echo, Worte in einer Sprache, die er nicht länger verstand. Solange er sich an seine Selbstdisziplin hielt, konnte er den Blick nach vorne richten.
Er schlug Decker auf die Schulter und sagte: „Hat mich gefreut, dich zu sehen, Mann. Wenn du das nächste Mal in der Stadt bist, ruf mich doch einfach an.“
Dann wollte er sich schon abwenden, wobei er sich fragte, ob er diese Worte ernst gemeint oder ob er sie eher aus Gewohnheit ausgesprochen hatte, weil er sich an eine andere Zeit erinnerte und sich nicht einfach so von einem alten Freund abwenden wollte, doch Decker hielt ihn am Arm fest.
Überrascht drehte sich Monroe wieder zu ihm um.
„Meinst du das ernst?“, fragte Decker.
Monroe überlegte, ob sein alter Freund gespürt hatte, dass diese Abschiedsworte nicht ernst gemeint waren und ihm das übel nahm. Doch er schüttelte dieses Gefühl ab, als er begriff, worauf sich Decker eigentlich bezog: seinen Lebenswandel.
„Natürlich. Warum fragst du?“
„Dann hast du
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