Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
sahen sie ein grau Männchen an einem Tische sitzen, das riefen sie an, einmal, zweimal aber es hörte nicht; endlich riefen sie zum drittenmal, da stand es auf und kam heraus. Es sprach aber kein Wort, sondern fasste sie an und führte sie zu einem reichbesetzten Tisch; und als sie gegessen und getrunken hatten, führte es einen jeglichen in ein eigenes Schlafgemach. Am andern Morgen kam es zu dem ältesten, winkte ihm und brachte ihn zu einer steinernen Tafel, darauf standen die drei Aufgaben geschrieben, wodurch das Schloss erlöst werden konnte.
Die erste war: in dem Wald unter dem Moos lagen die tausend Perlen der Königstochter, die mussten aufgesucht werden, und wenn vor Sonnenuntergang noch eine einzige fehlte, so ward der, welcher gesucht hatte, zu Stein. Der älteste ging hin und suchte den ganzen Tag, als aber der Tag zu Ende war, hatte er erst hundert gefunden; es folgte, wie auf der Tafel stand, und er ward in Stein verwandelt.
Am folgenden Tag unternahm der zweite Bruder das Abenteuer; es ging ihm aber nicht besser als dem ältesten, er fand nicht mehr, als zweihundert Perlen und ward zu Stein. Endlich kam auch an den Dummling die Reihe, der suchte im Moos, es war aber so schwer, die Perlen zu finden, und ging so langsam! Da setzte er sich auf einen Stein und weinte. Und wie er so saß kam der Ameisenkönig, dem er einmal das Leben erhalten hatte mit fünftausend Ameisen, und es währte gar nicht lang, so hatten diese die Perlen miteinander gefunden und auf einen Haufen getragen.
Die zweite Aufgabe aber war, den Schlüssel zu der Schlafkammer der Königstochter aus der See zu holen. Wie der Dummling zur See kam, schwammen die Enten, die er einmal gerettet hatte, heran, tauchten unter, und holten den Schlüssel aus der Tiefe. Die dritte Aufgabe aber war die schwerste: aus den drei schlafenden Töchtern des Königs sollte die jüngste und die liebste heraus gesucht werden, sie glichen sich aber vollkommen und waren durch nichts verschieden, als daß die älteste ein Stück Zucker, die zweite Syrup, die jüngste einen Löffel voll Honig gegessen hatte, und es war bloß an dem Hauch zu erkennen, welche den Honig gegessen.
Da kam aber die Bienenkönigin von den Bienen, die der Dummling vor dem Feuer geschützt, und versuchte den Mund von allen dreien, zuletzt blieb sie auf dem Mund sitzen, der Honig gegessen, und so erkannte der Königssohn die rechte, und da war aller Zauber vorbei, alles war aus dem Schlaf erlöst, und wer von Stein war, erhielt seine menschliche Gestalt wieder. Und der Dummling vermählte sich mit der jüngsten und liebsten, und ward König nach ihres Vaters Tod; seine zwei Brüder aber mit den beiden andern Schwestern.
Blaubart
I n einem Walde lebte ein Mann, der hatte drei Söhne und eine schöne Tochter. Einmal kam ein goldener Wagen mit sechs Pferden und einer Menge Bedienten angefahren, hielt vor dem Haus still, und ein König stieg aus und bat den Mann, er möchte ihm seine Tochter zur Gemahlin geben.
Der Mann war froh, dass seiner Tochter ein solches Glück widerfuhr, und sagte gleich ja; es war auch an dem Freier gar nichts auszusetzen, als daß er einen ganz blauen Bart hatte, so dass man einen kleinen Schrecken kriegte, so oft man ihn ansah. Das Mädchen erschrack auch anfangs davor, und scheute sich ihn zu heiraten, aber auf Zureden ihres Vaters, willigte es endlich ein.
Doch weil es so eine Angst fühlte, ging es erst zu seinen drei Brüdern, nahm sie allein und sagte: »liebe Brüder, wenn Ihr mich schreien hört, wo ihr auch seid, so lasst alles stehen und liegen und kommt mir zu Hilfe.«
Das versprachen ihm die Brüder und küssten es, »leb wohl, liebe Schwester, wenn wir deine Stimme hören, springen wir auf unsere Pferde, und sind bald bei dir.«
Darauf setzte es sich in den Wagen zu dem Blaubart, und fuhr mit ihm fort. Wie es in sein Schloss kam, war alles prächtig, und was die Königin nur wünschte, das geschah, und sie wären recht glücklich gewesen, wenn sie sich nur an den blauen Bart des Königs hätte gewöhnen können, aber immer, wenn sie den sah, erschrack sie innerlich davor.
Nachdem das einige Zeit gewährt, sprach er: »ich muss eine große Reise machen, da hast du die Schlüssel zu dem ganzen Schloss, du kannst überall aufschließen und alles besehen, nur die Kammer, wozu dieser kleine goldene Schlüssel gehört, verbiet’ ich dir; schließt du die auf, so ist dein Leben verfallen.«
Sie nahm
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