Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
allen ihren Ochsen, Kühen und Schafen die Hälse ab, und trugen die Felle in die Stadt, wofür sie aber blutwenig lösten, weil ihrer so viel auf einmal feilgeboten wurden.
Da ärgerten sich die Bauern über den Schaden, und warfen dem Schneider Dreck und ander schlechtes Zeug vor seine Tür. Der aber tat alles in seinen Kasten, ging damit in die Stadt in einen Gasthof, und bat den Wirt, ob er ihm nicht den Kasten, worin die größten Kostbarkeiten wären, eine Zeit lang verwahren wolle, bei ihm wären sie nicht sicher? Der Wirt sagte recht gern, und nahm den Kasten zu sich, einige Zeit danach kam der Schneider, forderte ihn wieder zurück und machte ihn auf, um zu sehen, ob noch alles darin wäre. Wie er nun aber voll Dreck ist, so tobte er abscheulich, beschimpfte den Wirt und drohte ihn zu verklagen, so dass der Wirt, welcher Aufsehen scheute, und für seinen Kredit fürchtete, ihm gern hundert Taler gab.
Die Bauern ärgerten sich wieder, dass dem Schneider alles zum Profit ausschlug, was sie ihm Leides antaten, nahmen den Kasten, steckten ihn mit Gewalt hinein, setzten ihn aufs Wasser, und ließen ihn fortfließen. Der Schneider schwieg eine Weile still, bis er eine Ecke fortgeflossen war, dann rief er überlaut: »nein, ich tus nicht! Und ich tus nicht! Und wenns die ganze Welt haben wollte.«
Das Geschrei hörte ein Schäfer und fragte: »was willst du denn nicht tun?« – »Ei«, sagte der Schneider, »da ist ein König, der hat die närrische Grille und besteht drauf, dass, wer in diesem Kasten den Strom hinuntergeschwommen kommt, seine einzige schöne Tochter heiraten soll, aber ich hab’ einmal meinen Kopf drauf gesetzt, und tus nicht, und wenns die ganze Welt haben wollt.« – »Hört einmal, geht das nicht, dass sich ein anderer in den Kasten setzt und die Königstochter kriegt?« – »O ja, das geht auch.« – »So will ich mich an eure Stelle hineinsetzen.« Da stieg der Schneider aus, der Schäfer ein; der Schneider machte den Kasten noch zu, und der Schäfer ging bald unter. Der Schneider aber nahm die ganze Herde des Schäfers und trieb sie heim.
Die Bauern aber wunderten sich, wie das zugegangen, dass er wieder käme, und obendrein die vielen Schaafe hätte. Der Schneider sagte: »ich war untergesunken, tief, tief! Da fand ich auf dem Grund die ganze Herde, und nahm sie mit heraus.« Die Bauern wollten sich da auch Schafe holen, und gingen mit einander hinaus ans Wasser; den Tag war der Himmel ganz blau mit kleinen weißen Wolken, da riefen sie: »wir sehen schon die Lämmer unten auf dem Grund!«
Da sprach der Schulz: »ich will erst hinunter, und mich umsehen, und wenn es gut ist, will ich euch rufen.« Wie er nun hineinstürzte, rauschte es in dem Wasser: plump! Da meinten sie er riefe ihnen zu: kommt! Und stürzten sich alle hinter ihm drein. Da gehörte das ganze Dorf dem Schneider.
Die Bienenkönigin
Z wei Königssöhne gingen einmal auf Abenteuer, und gerieten in ein wildes, wüstes Leben, so dass sie gar nicht wieder nach Haus kamen. Der jüngste, welcher der Dummling hieß, ging aus und suchte seine Brüder; aber wie er sie fand, verspotteten sie ihn, dass er mit seiner Einfalt sich durch die Welt schlagen wolle, da sie zwei nicht durchkämen und wären doch viel klüger.
Da zogen sie miteinander fort und kamen an einen Ameisenhaufen; die zwei ältesten wollten ihn aufwühlen, und sehen, wie die kleinen Ameisen in der Angst herumkröchen und ihre Eier forttrügen; aber der Dummling sagte: »lasst die Tiere in Fried’, ich leids nicht, dass ihr sie stört.«
Da gingen sie weiter und kamen an einen See, auf dem schwammen viele, viele Enten; die zwei Brüder wollten ein paar fangen und braten, aber der Dummling sagte wieder: »lasst die Tiere in Fried’, ich leids nicht, dass ihr sie tötet.« Endlich kamen sie an ein Bienennest, darin war so viel Honig, dass er am Stamm herunterlief; die zwei wollten Feuer unter den Baum legen und die Bienen ersticken, damit sie den Honig wegnehmen könnten.
Der Dummling hielt sie aber wieder ab und sprach: »lasst die Tiere in Fried’, ich leids nicht, dass ihr sie verbrennt.« Da kamen die drei Brüder in ein Schloss, wo in den Ställen lauter steinerne Pferde standen, auch war kein Mensch zu sehen, und sie gingen durch alle Säle, bis sie vor eine Türe ganz am Ende kamen, davor hingen drei Schlösser; es war aber mitten in der Türe ein Lädlein, dadurch konnte man in die Stube sehen.
Da
Weitere Kostenlose Bücher