Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
den Deckel drauf; dann nahm es die Herde des Schäfers für sich und trieb sie fort. Der Pfaff aber ging zur Gemeinde und sagte, die Seelenmesse wäre gelesen. Da kamen sie und rollten das Faß nach dem Wasser hin. Als das Faß zu rollen anfing, rief der Schäfer: »Ich will ja gerne Schultheiß werden.« Sie glaubten nicht anders, als das Bürle schrie so, und sprachen: »Das meinen wir auch, aber erst sollst du dich da unten umsehen«, und rollten das Faß ins Wasser hinein.
Darauf gingen die Bauern heim, und wie sie ins Dorf kamen, so kam auch das Bürle daher, trieb eine Herde Schafe ruhig ein und war ganz zufrieden. Da erstaunten die Bauern und sprachen: »Bürle, wo kommst du her? Kommst du aus dem Wasser?« – »Freilich«, antwortete das Bürle, »ich bin versunken; ich stieß dem Faß den Boden aus und kroch hervor; da waren schöne Wiesen, auf denen viele Lämmer weideten, davon bracht’ ich mir die Herde mit.«
Sprachen die Bauern: »Sind noch mehr da?« – »O ja«, sagte das Bürle, »mehr, als ihr brauchen könnt.« Da verabredeten sich die Bauern, daß sie auch Schafe holen wollten, jeder eine Herde; der Schultheiß aber sagte: »Ich komme zuerst.« Nun gingen sie zusammen zum Wasser, da standen gerade am blauen Himmel kleine Flockwolken, die man Lämmerchen nennt, die spiegelten sich im Wasser ab, da riefen die Bauern: »Wir sehen schon die Schafe unten auf dem Grund.«
Der Schulz drängte sich hervor und sagte: »Nun will ich zuerst hinunter und mich umsehen; wenn’s gut ist, will ich euch rufen.« Da sprang er hinein, »plump«, klang es im Wasser. Sie meinten nicht anders, als er riefe ihnen zu: »Kommt!« und der ganze Haufe stürzte in einer Hast hinter ihm drein. Da war das Dorf ausgestorben, und Bürle als der einzige Erbe ward ein reicher Mann.
Von dem Schneider, der bald reich wurde
E in armer Schneider ging einmal zur Winterszeit über das Feld, und wollte seinen Bruder besuchen. Unterwegs fand er eine erfrorne Droßel, sprach zu sich selber: »was größer ist als eine Laus, das nimmt der Schneider mit nach Haus!«, hob also die Droßel auf, und steckte sie zu sich.
Wie er an seines Bruders Haus kam, guckte er erst zum Fenster hinein, ob sie auch zu Haus wären, da sah er einen dicken Pfaffen bei der Frau Schwägerin sitzen vor einem Tisch, auf dem stand ein Braten und eine Flasche Wein; indem klopfte es an die Haustüre, und der Mann wollte herein, da sah er, wie die Frau den Pfaffen geschwind in einen Kasten schließt, den Braten in den Ofen stellt, und den Wein ins Bett schob.
Nunmehr ging der Schneider selbst ins Haus, und bewillkommte seinen Bruder und seine Schwägerin, setzte sich aber auf den Kasten nieder, darin der Pfaff steckte. Der Mann sprach: »Frau, ich bin hungrig, hast du nichts zu essen?« – »Nein, es tut mir leid, es ist aber heute gar nichts im Haus.« – Der Schneider aber zog seine erfrorene Droßel heraus, da sprach sein Bruder: »mein, was tutst du mit der gefrorenen Droßel?« – »Ei! Die ist viel Geld wert, die kann wahr sagen!« – »Nun so lass sie einmal wahrsagen.« – Der Schneider hielt sie ans Ohr und sprach: »die Droßel sagt: es stünde eine Schüssel voll Braten im Ofen.« – Der Mann ging hin und fand den Braten: »was sagt die Droßel weiter?« – »Im Bett stecke eine Flasche Wein.« Der fand auch den Wein: »ei, die Droßel mögt ich haben, die verkauf mir doch.« – »Du kannst sie kriegen, wenn du mir den Kasten gibst, worauf ich sitze.«
Der Mann wollte gleich, die Frau aber sagte: »nein, das geht nicht, der Kasten ist mir gar zu lieb, den geb ich nicht weg«, der Mann aber sprach: »stell dich doch nicht so dumm, was nützt dir so ein alter Kasten«, gab damit dem Bruder den Kasten für den Vogel.
Der Schneider nahm den Kasten auf einen Schubkarren, und fuhr ihn fort: unterwegs sprach er: »ich nehm den Kasten und werf ihn ins Wasser, ich nehm den Kasten und werf ihn ins Wasser!« Endlich regte sich der Pfaff inwendig und sagte: »ihr wißt viel was in dem Kasten ist, lasst mich heraus, ich will euch 50 Taler geben.« – »Ja, dafür will ich es schon tun«, ließ ihn heraus, und ging mit dem Gelde heim.
Die Leute wunderten sich, wo er das viele Geld her habe, er aber sprach: »ich will euch sagen, die Felle stehen in so hohem Preis, da hab ich meine alte Kuh geschlachtet und fürs Fell so viel gelöst.« Die Leute im Dorf wollten auch davon profitieren, waren her und schnitten
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