Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
ledig und aßen süßen Brei, sooft sie wollten. Auf eine Zeit war das Mädchen ausgegangen; da sprach die Mutter: »Töpfchen, koche«, da kocht es, und sie ißt sich satt; nun will sie, daß das Töpfchen wieder aufhören soll, aber sie weiß das Wort nicht. Also kocht es fort, und der Brei steigt über den Rand hinaus und kocht immerzu, die Küche und das ganze Haus voll, und das zweite Haus und dann die Straße, als wollt’s die ganze Welt satt machen, und ist die größte Not, und kein Mensch weiß sich da zu helfen. Endlich, wie nur noch ein einziges Haar übrig ist, da kommt das Kind heim und spricht nur: »Töpfchen, steh«, da steht es und hört auf zu kochen; und wer wieder in die Stadt wollte, der mußte sich durchessen.
Die klugen Leute
E ines Tages holte ein Bauer seinen hagebuchenen Stock aus der Ecke und sprach zu seiner Frau: »Trine, ich gehe jetzt über Land und komme erst in drei Tagen wieder zurück. Wenn der Viehhändler in der Zeit bei uns einspricht und will unsere drei Kühe kaufen, so kannst du sie losschlagen, aber nicht anders als für zweihundert Taler, geringer nicht, hörst du.« – »Geh nur in Gottes Namen«, antwortete die Frau, »ich will das schon machen.« – »Ja, du!«, sprach der Mann. »Du bist als kleines Kind einmal auf den Kopf gefallen, das hängt dir bis auf diese Stunde nach. Aber das sage ich dir, machst du dummes Zeug, so streiche ich dir den Rücken blau, und das ohne Farbe, bloß mit dem Stock, den ich da in der Hand habe, und der Anstrich soll ein ganzes Jahr halten, darauf kannst du dich verlassen.« Damit ging der Mann seiner Wege.
Am anderen Morgen kam der Viehhändler, und die Frau brauchte mit ihm nicht viel Worte zu machen. Als er die Kühe besehen hatte und den Preis vernahm, sagte er: »Das gebe ich gerne, soviel sind sie unter Brüdern wert. Ich will die Tiere gleich mitnehmen.« Er machte sie von der Kette los und trieb sie aus dem Stall. Als er eben zum Hoftor hinauswollte, faßte ihn die Frau am Ärmel und sprach: »Ihr müßt mir erst die zweihundert Taler geben, sonst kann ich Euch nicht gehen lassen.«
»Richtig«, antwortete der Mann, »ich habe nur vergessen, meine Geldkatze umzuschnallen. Aber macht Euch keine Sorge, Ihr sollt Sicherheit haben, bis ich zahle. Zwei Kühe nehme ich mit, und die dritte lasse ich Euch zurück, so habt Ihr ein gutes Pfand.« Der Frau leuchtete das ein, sie ließ den Mann mit seinen Kühen abziehen und dachte: Wie wird sich der Hans freuen, wenn er sieht, daß ich es so klug gemacht habe.
Der Bauer kam den dritten Tag, wie er gesagt hatte, nach Haus und fragte gleich, ob die Kühe verkauft wären. »Freilich, lieber Hans«, antwortete die Frau, »und wie du gesagt hast, für zweihundert Taler. Soviel sind sie kaum wert, aber der Mann nahm sie ohne Widerrede.« – »Wo ist das Geld?«, fragte der Bauer. »Das Geld, das habe ich nicht«, antwortete die Frau; »er hatte gerade seine Geldkatze vergessen, wird’s aber bald bringen; er hat mir ein gutes Pfand zurückgelassen.« – »Was für ein Pfand?«, fragte der Mann. »Eine von den drei Kühen, die kriegt er nicht eher, als bis er die andern bezahlt hat. Ich habe es klug gemacht, ich habe die kleinste zurückbehalten, die frißt am wenigsten.«
Der Mann ward zornig, hob seinen Stock in die Höhe und wollte ihr damit den verheißenen Anstrich geben. Plötzlich ließ er ihn sinken und sagte: »Du bist doch die dümmste Gans, die auf Gottes Erdboden herumwackelt; aber du dauerst mich. Ich will auf die Landstraße gehen und drei Tage lang warten, ob ich jemand finde, der noch einfältiger ist, als du bist. Glückt mir’s, so sollst du frei sein, finde ich ihn aber nicht, so sollst du deinen wohlverdienten Lohn ohne Abzug erhalten.«
Er ging hinaus auf die Straße, setzte sich auf einen Stein und wartete auf die Dinge, die kommen sollten. Da sah er einen Leiterwagen heranfahren, und eine Frau stand mitten darauf, statt auf dem Gebund Stroh zu sitzen, das dabei lag, oder neben den Ochsen zu gehen und sie zu leiten.
Der Mann dachte: Das ist wohl eine, wie du sie suchst, sprang auf und lief vor dem Wagen hin und her wie einer, der nicht recht gescheit ist. »Was wollt Ihr, Gevatter«, sagte die Frau zu ihm, »ich kenne Euch nicht, von wo kommt Ihr her?« – »Ich bin vom Himmel gefallen«, antwortete der Mann, »und weiß nicht, wie ich wieder hinkommen soll! Könnt Ihr mich nicht hinauffahren?« – »Nein«, sagte die Frau, »ich
Weitere Kostenlose Bücher