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Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)

Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)

Titel: Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Carl Grimm , Jacob Ludwig Carl Grimm
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Obdach oder einen Menschen, der ihnen einen Bissen Brot gab, und ihre Not war so groß, daß sie ihren Hunger an einem Brennesselstrauch stillen mußten. Als sie nach langer Wanderung in ein anderes Land kamen, boten sie überall ihre Dienste an; aber wo sie anklopften, wurden sie abgewiesen, und niemand wollte sich ihrer erbarmen. Endlich gelangten sie in eine große Stadt und gingen nach dem königlichen Hof. Aber auch da hieß man sie weitergehen, bis endlich der Koch sagte, sie könnten in der Küche bleiben und als Aschenputtel dienen.
     
    Der Sohn des Königs, in dessen Reich sie sich befanden, war aber gerade der Verlobte der Jungfrau Maleen gewesen. Der Vater hatte ihm eine andere Braut bestimmt, die ebenso häßlich von Angesicht als bös von Herzen war. Die Hochzeit war festgesetzt und die Braut schon angelangt; bei ihrer großen Häßlichkeit aber ließ sie sich vor niemand sehen und schloß sich in ihre Kammer ein, und die Jungfrau Maleen mußte ihr das Essen aus der Küche bringen. Als der Tag herankam, wo die Braut mit dem Bräutigam in die Kirche gehen sollte, so schämte sie sich ihrer Häßlichkeit und fürchtete, wenn sie sich auf der Straße zeigte, würde sie von den Leuten verspottet und ausgelacht. Da sprach sie zur Jungfrau Maleen: »Dir steht ein großes Glück bevor; ich habe mir den Fuß vertreten und kann nicht gut über die Straße gehen. Du sollst meine Brautkleider anziehen und meine Stelle einnehmen; eine größere Ehre kann dir nicht zuteil werden.«
     
    Die Jungfrau Maleen aber schlug es aus und sagte: »Ich verlange keine Ehre, die mir nicht gebührt.«
     
    Es war auch vergeblich, daß sie ihr Gold anbot. Endlich sprach sie zornig: »Wenn du mir nicht gehorchst, so kostet es dir dein Leben. Ich brauche nur ein Wort zu sagen, so wird dir der Kopf vor die Füße gelegt.«
     
    Da mußte sie gehorchen und die prächtigen Kleider der Braut samt ihrem Schmuck anlegen. Als sie in den königlichen Saal eintrat, erstaunten alle über ihre große Schönheit, und der König sagte zu seinem Sohn: »Das ist die Braut, die ich dir ausgewählt habe und die du zur Kirche führen sollst.«
     
    Der Bräutigam erstaunte und dachte: Sie gleicht meiner Jungfrau Maleen, und ich würde glauben, sie wäre es selbst; aber die sitzt schon lange im Turm gefangen oder ist tot. Er nahm sie an der Hand und führte sie zur Kirche. An dem Wege stand ein Brennesselbusch: da sprach er:
     
»Brennettelbusch,
Brennettelbusch so klene,
Wat steist du hier allene?
Ik hef de Tit geweten,
Da hef ik di ungesaden,
Ungebraden eten.«
     
    »Was sprichst du da?«, fragte der Königssohn. »Nichts«, antwortete sie, »ich dachte nur an die Jungfrau Maleen.«
     
    Er verwunderte sich, daß sie von ihr wußte, schwieg aber still. Als sie an den Steg vor dem Kirchhof kamen, sprach sie:
     
»Karkstegels, brik nich,
Bün de rechte Brut nich.«
     
    »Was sprichst du da?«, fragte der Königssohn. »Nichts«, antwortete sie, »ich dachte nur an die Jungfrau Maleen.« – »Kennst du die Jungfrau Maleen?« – »Nein«, antwortete sie, »wie sollt ich sie kennen, ich habe nur von ihr gehört.«
     
    Als sie an die Kirchtüre kamen, sprach sie abermals:
     
»Karkendär, brik nich,
Bün de rechte Brut nich.«
     
    »Was sprichst du da?«, fragte er. »Ach«, antwortete sie, »ich habe nur an die Jungfrau Maleen gedacht.«
     
    Da zog er ein kostbares Geschmeide hervor, legte es ihr an den Hals und hakte die Kettenringe ineinander. Darauf traten sie in die Kirche, und der Priester legte vor dem Altar ihre Hände ineinander und vermählte sie. Er führte sie zurück, aber sie sprach auf dem ganzen Weg kein Wort. Als sie wieder in dem königlichen Schloß angelangt waren, eilte sie in die Kammer der Braut, legte die prächtigen Kleider und den Schmuck ab, zog ihren grauen Kittel an und behielt nur das Geschmeide um den Hals, das sie von dem Bräutigam empfangen hatte.
     
    Als die Nacht herankam und die Braut in das Zimmer des Königssohns sollte geführt werden, so ließ sie den Schleier über ihre Gesicht fallen, damit er den Betrug nicht merken sollte. Sobald alle Leute fortgegangen waren, sprach er zu ihr: »Was hast du doch zu dem Brennesselbusch gesagt, der an dem Weg stand?« – »Zu welchem Brennesselbusch?«, fragte sie. »Ich spreche mit keinem Brennesselbusch.« – »Wenn du des nicht getan hast, so bist du die rechte Braut nicht«, sagte er. Da half sie sich und sprach:
     
»Mut herut na mine Maegt,
De mi min Gedanken

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