Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
draegt.«
Sie ging hinaus und fuhr die Jungfrau Maleen an: »Dirne, was hast du zu dem Brennesselbusch gesagt?« – »Ich sagte nichts als:
Brennettelbusch,
Brennettelbusch so klene,
Wat seist du hier allene?
Ik hef de Tit geweten,
Da hef ik die ungeladen,
Ungebraden eten.«
Die Braut lief in die Kammer zurück und sagte: »Jetzt weiß ich, was ich zu dem Brennesselbusch gesprochen habe«, und wiederholte die Worte, die sie eben gehört hatte. »Aber was sagtest du zu dem Kirchensteg, als wir darüber gingen?«, fragte der Königssohn. »Zu dem Kirchensteg?«, antwortete sie. »Ich spreche mit keinem Kirchensteg.« – »Dann bist du auch die rechte Braut nicht.«
Sie sagte wiederum:
»Mut herut na mine Maegt,
De mi min Gedanken draegt.«
Lief hinaus und fuhr die Jungfrau Maleen an: »Dirne, was hast du zu dem Kirchensteg gesagt?« – »Ich sagte nichts als:
Karkstegels, brik nich,
Bün de rechte Brut nich.«
»Das kostet dich dein Leben«, rief die Braut, eilte aber in die Kammer und sagte: »Jetzt weiß ich, was ich zu dem Kirchsteg gesprochen habe«, und wiederholte die Worte. »Aber was sagtest du zur Kirchentür?«
»Zur Kirchentür?«, antwortete sie. »Ich spreche mit keiner Kirchentür.« – »Dann bist du auch die rechte Braut nicht.«
Sie ging hinaus, fuhr die Jungfrau Maleen an: »Dirne, was hast du zu der Kirchentür gesagt?«
»Ich sagte nichts als: Karkendär, brik nich, Bün de rechte Brut nich.«
»Das bricht dir den Hals«, rief die Braut und geriet in den größten Zorn, eilte aber zurück in die Kammer und sagte: »Jetzt weiß ich, was ich zu der Kirchentür gesprochen habe«, und wiederholte die Worte. »Aber wo hast du das Geschmeide, das ich dir an der Kirchentüre gab?« – »Was für ein Geschmeide«, antwortete sie, »du hast mir kein Geschmeide gegeben.« – »Ich habe es dir selbst um den Hals gelegt und selbst eingehakt. Wenn du das nicht weißt, so bist du die rechte Braut nicht.«
Er zog ihr den Schleier vom Gesicht, und als er ihre grundlose Häßlichkeit erblickte, sprang er erschrocken zurück und sprach: »Wie kommst du hierher? Wer bist du?« – »Ich bin deine verlobte Braut; aber weil ich fürchtete, die Leute würden mich verspotten, wenn sie mich draußen erblickten, so habe ich dem Aschenputtel befohlen, meine Kleider anzuziehen und statt meiner zur Kirche zu gehen.« – »Wo ist das Mädchen«, sagte er; »ich will es sehen, geh und hol es hierher.«
Sie ging hinaus und sagte den Dienern, das Aschenputtel sei eine Betrügerin, sie sollten es in den Hof hinabführen und ihm den Kopf abschlagen. Die Diener packten es und wollten es fortschleppen; aber es schrie so laut um Hilfe, daß der Königssohn seine Stimme vernahm, aus seinem Zimmer herbeieilte und den Befehl gab, das Mädchen augenblicklich loszulassen. Es wurden Lichter herbeigeholt, und da bemerkte er an seinem Hals den Goldschmuck, den er ihm vor der Kirchentür gegeben hatte. »Du bist die rechte Braut«, sagte er, »die mit mir zur Kirche gegangen ist! Komm mit mir in meine Kammer.«
Als sie beide allein waren, sprach er: »Du hast auf dem Kirchgang die Jungfrau Maleen genannt, die meine verlobte Braut war; wenn ich dächte, es wäre möglich, so müßte ich glauben, sie stände vor mir; du gleichst ihr in allem.«
Sie antwortete: »Ich bin die Jungfrau Maleen, die um dich sieben Jahre in der Finsternis gefangen gesessen, Hunger und Durst gelitten und solange in Not und Armut gelebt hat; aber heute bescheint mich die Sonne wieder. Ich bin dir in der Kirche angetraut und bin deine rechtmäßige Gemahlin.«
Da küßten sie einander und waren glücklich für ihr Lebtag. Der falschen Braut ward zur Vergeltung der Kopf abgeschlagen.
Der Turm, in welchem die Jungfrau Maleen gesessen hatte, stand noch lange Zeit, und wenn die Kinder vorübergingen, so sangen sie:
»Kling klang kloria, Wer sitt in dissen Thoria?
Dar sitt en Königsdochter in, Die kann ik nich to seen krign.
De Muer de will nich bräken, De Steen de will nich stechen.
Hänschen mit de bunte Jak, Kumm unn folg mi achterna.«
Die Stiefel von Büffelleder
E in Soldat, der sich vor nichts fürchtet, kümmert sich auch um nichts. So einer hatte seinen Abschied erhalten, und da er nichts gelernt hatte und nichts verdienen konnte, so zog er umher und bat gute Leute um Almosen. Auf seinen Schultern hing ein alter Wettermantel, und ein paar Rehstiefel von
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