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Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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die Kutsche, schüttelt die struppige Mähne, als wir den letzten Hügel hinauffahren. Auf halber Strecke überholen wir ein Paar, das am Rand des Weges geht. Der Mann pfeift fröhlich, schwenkt den Stock im Takt der Melodie. Die Frau, die einen Salzblock auf den Schultern trägt, trottet mit gesenktem Kopf hinterher.
    »Sind sie sehr arm?«, frage ich Ana Kuja.
    »Es gibt ärmere Leute.«
    »Und warum kauft er sich keinen Esel?«
    »Er braucht keinen Esel«, sagt Ana Kuja. »Er hat eine Frau.«
    »Ich heirate Alina«, sagt Maljen.
    Unsere Kutsche rollt an den beiden vorbei. Der Mann zieht die Mütze und ruft gut gelaunt einen Gruß.
    Maljen erwidert den Gruß ebenso gut gelaunt, lächelt und winkt und fällt dabei fast herunter.
    Ich verrenke mir beinahe den Hals, als ich mich nach der Frau umdrehe, die mit ihrem Mann kaum Schritt halten kann. Sie ist genau genommen noch ein Mädchen, aber ihre Augen wirken alt und müde.
    Ana Kuja, der nichts entgeht, sagt: »Das ist das Schicksal von Bauernmädchen, die nicht das Glück haben, von der Güte des Herzogs zu profitieren. Seid also immer dankbar und schließt ihn abends in eure Gebete ein.«
    Die Ketten klirren.
    Genjas besorgtes Gesicht. »Ihr könnt so nicht mehr lange weitermachen. Es schadet ihr.«
    »Kümmere dich um deinen eigenen Kram«, faucht Iwan.
    Der Dunkle steht im Schatten, ganz in Schwarz. Ich spüre Wellengang und mir wird schlagartig bewusst, dass wir uns an Bord eines Schiffes befinden – wir sind auf See.
    Bitte lasst mich weiterträumen.
    Ich bin wieder auf dem Weg nach Keramzin, betrachte den gesenkten Kopf des Pferdes, das sich den Hügel hinaufmüht. Als ich mich erneut umdrehe, hat die junge Frau, die den schweren Salzblock schleppt, mein Gesicht. Neben mir in der Kutsche sitzt Baghra. »Der Ochse spürt sein Joch«, sagt sie, »aber spürt der Vogel das Gewicht seiner Flügel?«
    Ihre Augen sind kohlrabenschwarz. Sei dankbar, sagt ihr Blick. Sei dankbar. Sie reißt am Zügel.
    »Trink.« Schon wieder diese Brühe. Aber ich wehre mich nicht mehr, möchte mich nicht verschlucken. Ich sinke zurück, lasse die Augen langsam zufallen, gleite hinab in einen Dämmerzustand, bin zu schwach, um zu kämpfen.
    Eine Hand legt sich auf meine Wange.
    »Maljen«, krächze ich.
    Die Hand wird fortgezogen.
    Dann nichts mehr.
    »Weckt sie.« Die Stimme ist mir unbekannt. »Ihr müsst sie aus diesem Zustand holen.«
    Meine Augenlider flattern. Ist das ein Traum? Ein junger Mann beugt sich über mich: Strubbelhaare, schiefe Nase. Er erinnert mich an den altklugen Fuchs aus einer der Fabeln, die Ana Kuja immer erzählte: schlau genug, um der ersten Falle zu entwischen, aber leider so dumm, in die zweite zu tappen. Hinter dem Fuchs steht ein weiterer Mann, ein wahrer Riese. Ich habe noch nie einen so großen Menschen gesehen. Seine Augen schimmern golden und sind mandelförmig wie die der Shu.
    »Alina«, sagt der Fuchs. Woher kennt er meinen Namen?
    Die Tür geht auf und ich sehe ein drittes fremdes Gesicht, das einer jungen Frau mit kurzen, dunklen Haaren und dem gleichen Goldschimmer in den Augen wie der Riese.
    »Sie kommen«, sagt sie.
    Der Fuchs flucht. »Legt sie wieder hin.« Der Riese tritt näher. Die Dunkelheit umfängt mich von neuem.
    »Nein, bitte …«
    Zu spät. Ich versinke in Finsternis.
    Ich bin ein Mädchen und ich erklimme einen Hügel. Meine Stiefel saugen sich im Matsch fest und mein Rücken tut weh, denn ich schleppe einen schweren Salzbrocken. Als ich das Gefühl habe, keinen weiteren Schritt mehr tun zu können, werde ich plötzlich hochgehoben. Der Salzbrocken fällt von meinen Schultern, geht auf dem Boden in Stücke. Ich steige auf, höher und immer höher. Unter mir sehe ich einen Einspänner und die drei Insassen schauen staunend und mit offenem Mund zu mir auf. Mein Schatten gleitet zuerst über sie hinweg, danach über die Straße und die winterlich kahlen Felder – der dunkle Schemen eines Mädchens, dem plötzlich Flügel gewachsen sind, Flügel, die sie hoch über der Erde dahintragen.
    Das Erste, was ich ganz eindeutig nicht träumte, waren das Schlingern des Schiffes, das Knarren der Takelage, das Klatschen des Wassers gegen den Schiffsrumpf.
    Ich wollte mich umdrehen und bei dieser Bewegung wurde meine Schulter von einem stechenden Schmerz durchzuckt. Ich rang um Atem, schoss in die Senkrechte wie die Klinge eines Klappmessers, riss die Augen auf. Mein Herz raste und ich war hellwach. Eine Welle der Übelkeit schüttelte

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