Grischa: Der allzu schlaue Fuchs: Ein Märchen aus Rawka (German Edition)
Bruder …«
»Warum sollte er mich jagen? Mein Fleisch ist zu zäh, und mein Pelz ist zu hässlich.«
Sofija lächelte leise. »Dein Pelz ist an manchen Stellen etwas kahl, aber so hässlich bist du nun auch wieder nicht.«
»Nein?«, erwiderte der Fuchs. »Soll ich nach Os Alta reisen, um mich porträtieren zu lassen?«
»Welcher Fuchs war je in der Hauptstadt?«
»Ich war einmal dort«, sagte Koja, der spürte, dass eine Geschichte sie aufheitern würde. »Ich war der persönliche Gast der Zarin. Sie hat mir eine blaue Schleife um den Hals gebunden, und ich habe jede Nacht auf einem Samtkissen geschlafen.«
Das Mädchen lachte und vergaß ihre Tränen. »Ach, ja? Tatsächlich?«
»Ich war der letzte Schrei. Alle Höflinge färbten sich die Haare rot und schnitten Löcher in ihre Kleider, um meinen löcherigen Pelz nachzuahmen.«
»So, so«, sagte das Mädchen. »Um warum hast du die Annehmlichkeiten des Großen Palastes gegen diese kalten Wälder eingetauscht?«
»Ich hatte mir Feinde gemacht.«
»War der Pudel der Zarin eifersüchtig?«
»Der Zar fühlte sich durch meine übermäßig großen Ohren beleidigt.«
»Ja, das kann gefährlich sein«, sagte sie. »Wer so große Ohren hat, hört alle möglichen Gerüchte.«
Nun lachte Koja, erfreut darüber, dass das Mädchen, wenn es nicht bei dem grausamen Jäger war, so geistreich sein konnte.
Sofijas Lächeln verflog. Sie sprang auf, griff nach ihrem Korb und eilte auf dem Pfad davon. Bevor sie ganz außer Sicht war, drehte sie sich noch einmal um und rief: »Danke, dass du mich zum Lachen gebracht hast, Fuchs. Ich hoffe, dir hier nicht wieder über den Weg zu laufen.«
Am späteren Abend schlug Lula enttäuscht mit den Flügeln. »Du hast nichts in Erfahrung gebracht! Du hast nur Süßholz geraspelt.«
»Es war ein Anfang, Vögelchen«, sagte Koja. »Immer eines nach dem anderen.« Und er sprang sie an und schnappte nach ihr.
Die Nachtigall flatterte kreischend auf einen hohen Ast, und der Dachs lachte.
»Siehst du?«, sagte der Fuchs. »Wenn jemand schüchtern ist, muss man behutsam vorgehen.«
Als Sofija das nächste Mal zum Witwenheim aufbrach, folgte ihr der Fuchs erneut. Und wieder setzte sie sich auf der Lichtung nieder und weinte.
Koja sprang auf den umgestürzten Baum. »Magst du mir erzählen, warum du weinst, Sofija?«
»Bist du immer noch hier, Fuchs? Weißt du denn nicht, dass mein Bruder in der Nähe ist? Er wird dich noch fangen.«
»Welches Interesse sollte dein Bruder an einem gelbäugigen Sack voller Knochen und Flöhe haben?«
Sofija lächelte zaghaft. »Gelb ist eine hässliche Farbe«, gab sie zu. »Außerdem glaube ich, dass du mit deinen großen Augen zu viel siehst.«
»Warum erzählst du mir nicht, was dich bedrückt?«
Sie antwortete nicht, sondern holte einen Kanten Käse aus ihrem Korb. »Bist du hungrig?«
Der Fuchs leckte sich die Lefzen. Er hatte nicht gefrühstückt, weil er den ganzen Morgen darauf gewartet hatte, dass das Mädchen das Haus ihres Bruders verließ. Andererseits war es nicht gut, von einem Menschen Essen anzunehmen, egal wie sanft und weiß dessen Hand auch sein mochte. Als der Fuchs sich nicht regte, zuckte das Mädchen mit den Schultern und biss selbst einen Happen ab.
»Und die hungrigen Witwen?«, fragte Koja.
»Sollen sie doch verhungern«, sagte sie mit Nachdruck und schob sich noch einen Happen Käse in den Mund.
»Warum bleibst du bei ihm?«, fragte Koja. »Du bist hübsch genug, um einen Ehemann finden zu können.«
»Hübsch genug?«, sagte das Mädchen. »Wäre ich mit gelben Augen und übermäßig großen Ohren noch hübscher?«
»Dann würden die Verehrer vor deiner Tür Schlange stehen.«
Koja hatte gehofft, sie wieder zum Lachen zu bringen, aber Sofija seufzte traurig, ein Laut, der vom Wind in den schiefergrauen Himmel geweht wurde. »Wir ziehen von Stadt zu Stadt«, sagte sie. »In Balakirew gab es jemanden, der mich liebte. Das hat meinem Bruder nicht gefallen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass er noch eine Braut findet oder mir erlaubt zu heiraten. Aber ich habe da meine Zweifel.«
Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen.
»Na, na«, sagte der Fuchs. »Keine Tränen mehr. Ich musste mein Leben lang immer wieder Fallen entkommen. Ich kann dir bestimmt helfen, deinem Bruder zu entfliehen.«
»Wenn du einer Falle entkommen bist, heißt das nicht, dass du auch der nächsten entrinnst.«
Daraufhin erzählte Koja, wie er seine Mutter, die Hunde und sogar Iwan
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