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Gucci war gestern

Titel: Gucci war gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jen Lancaster
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dem Flughafen gewesen. Keine Spur von Fifth Avenue.
    Josh seufzte und hielt kurz inne, ehe er antwortete. Er zog ein Taschentuch aus der Hosentasche und putzte sich damit umständlich die Brille. »Jennifer, ich bin darum gebeten worden, dich anzulernen, und ich nehme meine Aufgabe sehr ernst.«
    Was du nicht sagst, du kleiner Taschentuch-in-der-Hosentasche-Spasti. Du nimmst doch alles ernst. Du wüsstest nicht, was Spaß ist, selbst wenn er dir in den Hintern treten würde.
    »Ich habe meine Vorgaben für das ganze Jahr schon erfüllt, dabei haben wir erst März«, entgegnete ich. »Sollte das nicht Beweis genug sein, dass ich schon angelernt bin?«
    Eigentlich sollte ich DIR ein bisschen Nachhilfe in erfolgreicher Kundengesprächsführung geben, Freundchen.
    »Was nur beweist, dass ich bei deiner Einarbeitung ganze Arbeit geleistet habe. Stell dir mal vor, wie gut du sein wirst, wenn unser kleiner Lehrgang erst zu Ende ist.«

    Stell dir mal vor, wie gut ich dir die Bauchspeicheldrüse mit dem Grapefruitmesser rausschälen könnte, wenn unser kleines Gespräch erst zu Ende ist.
    Am Nachmittag schmollte ich den ganzen Weg von unserem Hotel in Midtown bis nach Manhattan. Nachdem wir an gefühlten Millionen cooler Schuhläden und hippen Cafés vorbeigekommen waren, in denen ich mein Geld hätte lassen können , erreichten wir endlich unser Ziel.
    Wir hatten einen Termin bei Lawrence. Lawrence war im Vorstand einer, ähm, sagen wir einfach, einflussreichen Wirtschaftszeitung. Ich war natürlich ganz aus dem Häuschen, denn es gibt nichts Interessanteres als einen Finanzjournalisten, vor allem einen im gehobenen Management.
    Oh, Moment, stimmt nicht. Eigentlich ist alles interessanter .
    Es sollte ein langer Nachmittag werden.
    Am Schalter nannten wir unsere Namen und wurden dann zum Aufzug eskortiert. Ich drückte auf den Knopf nach oben und wartete. Josh drückte gleich noch mal. Anscheinend hatte mein Drücken wohl zu wünschen übrig gelassen, aber ich biss mir auf die Zunge.
    Als wir in den Fahrstuhl stiegen, drehte Josh sich zu mir um und sagte: »Da du noch in der Ausbildung bist und die Verkaufsabläufe noch nicht en detail kennst, wäre es mir lieber, du würdest dich bei diesem Gespräch nicht zu Wort melden.«
    »Wie bitte?« Hatte ich ihn recht verstanden? »Bei diesem Gespräch sagst du bitte nichts, es sei denn, du wirst direkt angesprochen. Ich möchte den Kunden nicht verwirren. Du bist nicht auf dem neuesten Stand, was die Verkaufstaktik angeht, und ich möchte eine einheitliche Linie verfolgen.«
    Und dafür habe ich meine Shoppingtour geopfert?
    »Soll ich auch drei Schritte hinter euch gehen, Josh- san? «, fragte ich mit einer leichten Verbeugung.
    »Ach, ich glaube, das ist nicht nötig«, entgegnete er. In Harvard
lernte man offensichtlich nicht, dass es so was wie Sarkasmus gibt.
    Gemeinsam dackelten wir zur Rezeption, von wo aus die Sekretärin uns in einen opulenten Konferenzraum im vierzigsten Stock begleitete und uns Espresso in wunderhübsch glasierten Tässchen brachte. Die Stühle waren aufwendig von Hand gearbeitete Einzelanfertigungen, und der riesige runde Tisch wartete mit Intarsien aus Kirschholz auf. Die Wandvertäfelung aus Mahagoni war mit asiatisch inspirierten Ölgemälden verziert, und auf den polierten Wandregalen waren eine ganze Reihe interessanter Vasen kunstvoll arrangiert. 30 Ich atmete tief durch und musste feststellen, dass man nichts als Geld riechen konnte. Der Raum hatte bodentiefe Fenster, und nur ein paar dünne Glasscheiben trennten uns von der sonnenüberfluteten Skyline Manhattans. Wow. Einfach nur wow.
    Einen Augenblick später kam Lawrence herein. Er war tadellos gekleidet und trug einen Anzug von Brooks Brothers, und mit seinem kraftvollen Händedruck zermalmte er meinen Mittelhandknochen. Höflich tauschten wir Visitenkarten aus, und ich schaffte es kaum, mich vorzustellen, als Josh mich auch schon böse anfunkelte. Ach, ja. Ruhe auf den billigen Plätzen.
    Auf der Stelle setzte Josh zu seinem stinklangweiligen, öden Verkaufsgespräch an, und ich blendete mich umgehend aus. Endlos blubberte er über unsere Produkte und Serviceleistungen, und gelegentlich lächelte und nickte ich brav. Zuhören wollte ich nicht, und mitmachen durfte ich nicht, aber zumindest konnte ich ja aussehen, wie wenn meine Anwesenheit zu irgendwas zunutze wäre. Ich tat, als mache ich mir emsig Notizen, dabei kritzelte ich tatsächlich bloß Komplimente in mein Filofax. Jen ist

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