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Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition)

Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition)

Titel: Der Schatz der gläsernen Wächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dane Rahlmeyer
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Der Tempel der Zeit
    Kriss konnte es fühlen: das Allerheiligste war zum Greifen nahe!
    Ihr Herz schlug schneller und schneller, mit jedem vorsichtigen Schritt, den sie die enge Treppe aus verwittertem Stein hinabsetzte. Der Schein ihrer Petroleumlaterne fiel auf uraltes Mauerwerk, während vor ihr, ein Dutzend Stufen tiefer, ein dunkler Schlund aus Dunkelheit gähnte. Spinnweben hingen von der Decke wie geronnener Nebel, die Luft roch verbraucht, nach Moder, nach Grab. Seit einer Ewigkeit war niemand mehr gewesen, hier im verlorenen Tempel der Zeit. Nach über dreitausend Jahren waren sie die ersten!
    Der Gedanke raubte Kriss fast den Atem. Genau wie die Vorstellung, dass jeder ihrer Schritte vielleicht ihr letzter war. Sie schluckte mit trockener Kehle, als sie an Giftpfeile dachte, die aus Wänden schossen, geheime Kammern, aus denen tödliches Gas drang, und andere, heimtückischere Vorrichtungen. Alte Kulturen waren sehr erpicht darauf gewesen, ihre Geheimnisse zu hüten. Dennoch war sie unendlich dankbar, mit ihren sechzehn Jahren diesen Ort sehen zu dürfen, den andere nur aus Legenden kannten.
    Hast du dich auf deinen Ausgrabungen auch so gefühlt, Bria?
    Staub, so fein wie Puder, war auf die Gläser ihrer Nickelbrille gerieselt, ebenso in ihr schulterlanges, braunes Haar. Obwohl es kühl war hier unten, mehrere Klafter unter dem Sand, sprenkelten Schweißtropfen ihr rundes, von der Wüstensonne gebräuntes Gesicht. Kriss wünschte sich, sie wäre besser in Form gewesen. Wer ihr wohlgesonnen war, nannte sie »gut genährt«, andere, nicht ganz so freundliche Zeitgenossen »pummelig«, und in Momenten wie diesen spürte sie jedes einzelne Pfund.
    »Ich kann nicht glauben, dass wir wirklich hier sind!«, flüsterte sie aufgeregt. »Bitte kneif mich! – Au !«
    Sie drehte sich empört um. Alrik, der nur einen Schritt hinter ihr ging, zuckte grinsend mit den Achseln. »Du hast mich drum gebeten«, sagte ihr Mentor mit seiner unvergleichlichen Brummstimme. Der Rauch aus seiner Pfeife wehte ihr entgegen.
    Kriss lächelte ungewollt. Ihre Mutter hatte Alrik mal mit einem gutmütigen alten Eislöwen verglichen. Es passte. Die schlohweiße Mähne, die dunklen Augen unter buschigen Brauen, die riesigen Hände; fast Pranken. Viele hielten ihn für ihren Großvater, aber er war mehr als das und mehr als nur ihr Mentor. Alrik war ihr bester Freund, so wie er bereits der beste Freund ihrer Mutter gewesen war.
    »Hoffen wir, dass das Allerheiligste genauso gut in Schuss ist wie der Rest.« Er hob seine eigene Laterne, als sie den Stufen tiefer in die Dunkelheit folgten. Angespannt suchte Kriss nach verdächtigen Löchern im Mauerwerk oder Stolperdrähten, auch wenn sie sich die Mühe wahrscheinlich sparen konnte. Der Tempel stammte aus der Ælonischen Epoche. Zu dieser Zeit waren wesentlich raffiniertere Fallen erdacht worden: Statuen, die plötzlich lebendig wurden und Eindringlinge mit steinernen Klingen aufspießten. Scheinbar harmlose Schatztruhen, die Grabräuber mit Zähnen aus Eisen ansprangen. Und andere Dinge, an sie lieber nicht denken wollte.
    Achte auf jeden Schritt , gemahnte sie sich und schwang die Laterne hier und dorthin. Doch nirgends fand sie das verräterische bunte Glitzern ælonischer Energie.
    Nur leider beruhigte sie das nicht.
    Kriss hielt einen Moment inne und lauschte. Das aufgeregte Gemurmel der anderen Archäologen, die oben in der Haupthalle Vermessungen vornahmen und Skizzen anfertigten, war hier unten nur noch als fernes Wispern zu hören. Jedem Mitglied der Ausgrabung war klar, was für eine fantastische Entdeckung sie gemacht hatten. Der Tempel der Zeit war in den Jahrtausenden zu einem Mythos geworden, verloren im Nirgendwo der Wüste von Ka-Scha-Raad. Legionen von Forschern und Grabräubern hatten nach ihm gesucht. Von vielen hatte die Wüste nur Knochen übrig gelassen.
    Einen Monat lang hatten sie unter der brutalen Sonne geschuftet, während Todesboten am wolkenlosen Himmel kreisten und Glitzerechsen zwischen den Schatten des Zeltlagers umherflitzten. Aber die Mühe hatte sich gelohnt. Der Tempel hatte drei Jahrtausende im Sand ohne nennenswerte Schäden überdauert. Und er war wunderschön: Sechs Säulen mit goldenen Glyphen schmückten die Haupthalle zusammen mit der dreimannshohen Statue der Göttin Jali, der geflügelten Herrin der Zeit. Die Pastellfarben der Wandbilder schienen noch zu leuchten wie am ersten Tag und erzählten die Geschichte des Königreichs Ka-Scha-Raad. Von den

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