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Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Swift
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verführt werden. Man kann dieselben in letzter Instanz die Beherrscher des Königreichs nennen.
    Als mein Herr eines Tages hörte, wie ich den hohen Adel meines Vaterlandes erwähnte, hatte er die Güte, mir ein unverdientes Kompliment zu machen. Er sagte nämlich, ich sey gewiß aus einer edlen Familie entsprossen, weil ich in Gestalt, Farbe und Reinlichkeit alle Yähus seines Vaterlandes übertreffe, ob ich ihnen gleich in Kraft und Behendigkeit nachstehe, ein Umstand, der meiner besonderen Lebensart zuzuschreiben sey, worin ich von jenen Thieren abweiche; ausserdem sey ich mit der Fähigkeit, zu sprechen, begabt, und besitze einige Theile der Vernunft in solchem Grade, daß ich bei allen seinen Bekannten für ein Wunderthier gelte.
    Er fügte die Bemerkung hinzu: bei den Hauyhnhnms sey der Schimmel, der Rothfuchs, der Eisengraue nicht ganz so gebildet, wie der Kastanienbraune, der Schecke und der schwarze Rappe; auch würden erstere nicht mit denselben Talenten, oder mit derselben Anlage zur Verbesserung geboren; deßhalb blieben sie fortwährend nur im Bedientenstande und verheiratheten sich auch niemals ausserhalb ihrer Race. Letzteres würde für unnatürlich und monströs gelten.
    Ich sagte meinem Herrn den verbindlichsten Dank für die gute Meinung, die er gütigst von mir gefaßt hätte; ich fügte jedoch hinzu, wie ich aus niederem Stande von einfachen Eltern geboren sey, die mir nur eine erträgliche Erziehung ertheilen konnten. Der höhere Adel entspreche durchaus nicht der Idee, welche Seine Gnaden von demselben hege. Unsere jungen Lords würden von Kindheit auf in Faulheit und Ueppigkeit aufgezogen; sobald es ihr Alter erlaube, verbrauchten sie ihre Kraft und erhielten schmähliche Krankheiten von Buhlerinnen; sobald ihre Vermögensumstände ruinirt seyen, schlössen sie Ehen mit Reichern aus niederem Stande, die häßlich und ungesund, und zwar nur des Geldes wegen, die sie alsdann haßten und verachteten. Die Sprößlinge solcher Ehen seyen rachitische, scrophulöse und entstellte Kinder. Somit bestehe ein Geschlecht nicht länger als drei Generationen, im Fall die Frau sich keinen gesunden Vater bei Nachbarn und Bedienten hole, um den Stamm fortzusetzen oder zu bessern.

    Ein schwacher und kranker Körper, ein mageres Gesicht, eine blasse Farbe seyen untrügliche Zeichen einer edlen Geburt. Ein gesunder und starker Bau gelte bei Männern von Stande für eine Schmach, weil die Welt daraus den Schluß ziehe, der wirkliche Vater sey ein Stalldiener oder Kutscher. Die Mängel seiner Seele seyen parallel mit denen des Körpers; jene bestehen aus einer Mischung von Laune, Dummheit, Unwissenheit, Eigensinn, Sinnlichkeit und Stolz.
    Ohne die Einstimmung dieser erlauchten Adelichen könne kein Gesetz gegeben, aufgehoben oder verändert werden. Sie bildeten gleichfalls einen Gerichtshof, von welchem keine Appellation möglich sey.

Siebentes Kapitel

    Des Verfassers Vaterlandsliebe. Die Bemerkungen seines Herrn über die Constitution und die Regierung Englands werden vom Verfasser mit Parallelfällen und Vergleichungen beschrieben. Die Bemerkungen seines Herrn über menschliche Natur.

    Leser, du wirst dich vielleicht wundern, daß ich eine so freimüthige Beschreibung meines eigenen Geschlechtes bei einer Race von Sterblichen gegeben habe, welche schon zu sehr geneigt war, die verächtlichste Meinung vom Menschengeschlecht zu hegen, weil sie eine vollkommene Aehnlichkeit zwischen mir und den Yähus bemerkte. Ich muß jedoch offen gestehen, die vielen Tugenden dieser ausgezeichneten Vierfüßler, im Vergleich mit menschlicher Verderbniß, hatten in sofern meine Augen geöffnet und meinen Verstand erweitert, daß ich die Handlungen und Leidenschaften der Menschen von einem verschiedenen Gesichtspunkte aus betrachtete, und daß ich die Meinung hegte, es sey nicht der Mühe werth, die Ehre meines Geschlechtes aufrecht zu erhalten; dies war mir ohnehin unmöglich, da mein Herr ausserordentlichen Scharfsinn besaß. Er zeigte mir täglich eine Menge von Fehlern, die ich besaß, ob ich gleich früher dieselben nicht im Geringsten geahnt hatte; unter Menschen würden dieselben nicht einmal für allgemeine Schwächen gelten. Durch sein Beispiel hatte ich ebenfalls den höchsten Abscheu vor Falschheit und Verstellung erlangt; die Wahrheit schien mir so liebenswürdig, daß ich ihr Alles aufzuopfern beschloß.
    Um aufrichtig zu seyn, muß ich jedoch eingestehen, daß noch ein stärkerer Beweggrund mich zu der Frechheit

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