Gullivers Reisen
Verführen, Falschschwören, Fälschen, Spielen, Lügen, Kriechen, Bramarbasiren, Scribeln, Prophezeien, Vergiften, Buhlen, Schwatzen, Klatschen, durch Freidenkerei und andere Beschäftigungen zu erlangen. Es war jedoch viele Mühe erforderlich, einen jeden dieser Ausdrücke ihm verständlich zu machen.
Wein, fuhr ich fort, ward aus fremden Ländern bei uns eingeführt, nicht um den Mangel an Wasser oder anderen Getränken zu ersetzen, sondern weil derselbe aus einer Flüssigkeit besteht, die uns munter macht, indem sie uns den Verstand nimmt, alle melancholischen Gedanken zerstreut, wilde und ausschweifende Ideen im Hirn erzeugt, unsere Hoffnung erhöht und unsere Furcht verbannt, jede Wirkung der Vernunft auf einige Zeit unterbricht und uns an dem Gebrauch unserer Glieder verhindert, bis wir in einen tiefen Schlummer fallen. Wir erwachen jedoch jedesmal krank und entmuthigt, und der Gebrauch dieses Getränkes erweckt bei uns Krankheiten, welche unser Leben unangenehm machen und verkürzen. Ausserdem ernährt sich die Volksmasse durch den Umstand, daß sie die Bequemlichkeiten des Lebens den Reicheren liefern und sich gegenseitig damit versorgen. Z. B. wenn ich zu Haus bin und mich nach meinem Stande kleide, so trage ich an meinem Leibe die Arbeit von hundert Handwerkern. Der Bau und die Möblirung meines Hauses erfordert dieselbe Anzahl; die fünffache Zahl ist jedoch nothwendig, meine Frau zu schmücken.
Alsdann erzählte ich von einer andern Art Leute, welche sich ihren Lebensunterhalt dadurch erwerben, daß sie sich mit den Kranken abgeben. Vorher hatte ich nämlich meinem Herrn schon gesagt, ein großer Theil meiner Matrosen sey an Krankheiten gestorben. Hier konnte ich ihm jedoch nur mit größter Schwierigkeit meine Worte verständlich machen. Er hatte den Begriff, ein Hauyhnhnm könne wenige Tage vor seinem Tode alt und schwach werden, oder durch irgend einen Zufall sich ein Glied verletzen; er hielt es aber für unmöglich, daß die Natur, welche doch bei allen Dingen Vollkommenes hervorbringt, es leiden sollte, daß Krankheiten in unseren Körpern sich erzeugen. Er wünschte deßhalb die Ursache von diesem unnatürlichen Uebel zu erfahren.
Ich sagte ihm, wir nährten uns von tausend Dingen, die einander entgegenwirkten; wir äßen ohne hungrig zu seyn und tränken, ohne Durst zu fühlen. Wir wachten oft in den Nächten und genößen starke Getränke, ohne etwas zu essen; dies erwecke Trägheit, entzünde unsere Körper und beschleunige oder verhindere die Verdauung. Verdorbene weibliche Yähus erlangten eine gewisse Krankheit, welche Fäulniß der Knochen bei denjenigen bewirke, die sich mit ihnen abgäben; diese Krankheit, so wie manche andere, gingen vom Vater auf den Sohn über.
Somit kommen, fuhr ich fort, viele Yähus auf die Welt, mit complicirten Krankheiten; ich kann hier unmöglich den ganzen Katalog menschlicher Krankheiten anführen, denn diese bestehen aus fünf- bis sechshundert, die sich über jedes Glied und Gelenk verbreiten; kurz, jeder innere und äussere Theil hat seine eigenthümliche Krankheit. Um diesem abzuhelfen, ward bei uns eine gewisse Menschenklasse zu dem Geschäft oder zu dem Vorwande, die Kranken zu heilen, aufgezogen.
Weil ich in diesem Geschäfte einige Geschicklichkeit besitze, kann ich Eurer Gnaden das ganze Geheimniß und die Methode darlegen, nach welcher diese Leute zu verfahren pflegen.
Ihr Hauptgrundsatz besteht darin, daß alle Krankheiten in Ueberfüllung bestehen. Daraus schließen sie, eine große Ausleerung des Körpers sey nothwendig, entweder aus dem natürlichen Kanale oder aus dem Munde. Ihr zweites Geschäft besteht darin, daß sie aus Kräutern, Mineralien, Gummi, Oelen, Wurzeln, Salzen, Pflanzensäften, Seegräsern, Excrementen, Baumrinden, Schlangen, Kröten, Fröschen, Spinnen, Fleisch und Knochen von todten Menschen, Vögeln, Thieren, Fischen eine Mischung bilden, die durch Geschmack und Geruch so abscheulich und ekelhaft wie möglich gemacht wird, so daß der Magen sie sogleich wieder auswirft.
Dies heißt ein Brechmittel; oder aber sie bilden aus Stoffen desselben Waarenlagers, indem sie noch einige andere giftige Materien hinzufügen, eine oben
oder unten
(wie der Arzt gerade gelaunt ist) einzunehmende Medicin, die auf gleiche Weise den Eingeweiden ekelhaft und unerträglich ist. Diese erleichtert die Gedärme und treibt alles darin Befindliche hinaus. Dieses letztere Mittel heißt ein Klystier.
Da die Natur, wie der Arzt behauptet,
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