Gullivers Reisen
und unterworfen, oder durch Kolonisten ermordet und vertrieben zu werden; da sie auch keinen Ueberfluß an Gold, Silber, Zucker und Taback besitzen, so hegte ich auch die demüthige Meinung, sie seyen kein passender Gegenstand für unsern Eifer, unsere Tapferkeit oder unser Interesse. Wenn jedoch diejenigen, deren Geschäft es ist, sich mehr um diese Sache zu bekümmern, anderer Meinung zufällig seyn sollten, so bin ich bereit, sobald ich gesetzlich aufgefordert werde, mein Zeugniß abzulegen, daß kein Europäer vor mir diese Länder besucht hat. Hierunter verstehe ich jedoch nur, in so weit man den Einwohnern Glauben beimessen darf, im Fall kein Streit über die beiden Yähus entstehen sollte, die man vor vielen Jahren auf einem Berge in Hauyhnhnmland gesehen haben will.
Die Förmlichkeit jedoch, im Namen meines Fürsten von dem Lande Besitz zu nehmen, ist mir niemals eingefallen. Wäre dies aber auch wirklich der Fall gewesen, so hätte ich, in Betracht des damaligen Standes meiner Angelegenheiten, wahrscheinlich aus Klugheit und Selbsterhaltung, die Sache auf eine gelegenere Zeit verschoben.
Nachdem ich so den einzigen Tadel, der gegen mich als Reisenden erhoben werden kann, entfernt habe, nehme ich hier zuletzt noch Abschied von allen meinen höflichen Lesern, und kehre zu meinen Spekulationen in meinem kleinen Garten bei Redriff zurück. Ich werde jetzt die ausgezeichnetsten Tugendlehren, die ich bei den Hauyhnhnms erlernte, anwenden, und die Yähus meiner eigenen Familie, soweit solche Thiere dieselbe begreifen können, darin unterrichten, und so mich allmählich daran gewöhnen, den Anblick menschlicher Geschöpfe zu ertragen; ich werde die viehische Natur der Hauyhnhnms in meinem Vaterlande stets beklagen, allein aus Rücksicht für meinen edlen Herrn, seine Familie, seine Freunde und das ganze Hauyhnhnm-Geschlecht, ihre Personen stets mit großer Rücksicht behandeln, denn sie gleichen denselben in allen ihren Zügen, wie sehr auch ihr Verstand entartet ist.
Vergangene Woche erlaubte ich meiner Frau mit mir zu essen; sie mußte jedoch an dem entferntesten Ende eines langen Tisches sitzen, und die ihr vorgelegten Fragen mit aller Kürze beantworten. Da mir jedoch der Geruch eines Yähu noch immer anstößig ist, verstopfe ich mir die Nase mit Raute, Lavendel und Taback. Ob es gleich einem Manne in vorgerückten Jahren sehr schwer ankommen muß, alte Gewohnheiten zu entfernen, so hege ich doch noch die Hoffnung, daß ich bald meinen Nachbar-Yähu in meiner Gesellschaft werde dulden können, ohne wie es jetzt noch der Fall ist, mich vor seinen Zähnen und Klauen fürchten zu müssen.
Meine Wiederaussöhnung mit der Yähu-Kaste im allgemeinen, würde nicht so schwierig seyn, wenn sie nur mit den Lastern und Thorheiten zufrieden seyn wollten, wozu sie die Natur berechtigt hat. Ich ärgere mich nicht im geringsten über den Anblick eines ersten Taschendiebes, Obersten, Narren, Lords, Spielers, Politikers, Kupplers, falschen Zeugen, Verführers zum falschen Zeugniß, eines Sachwalters, Verräthers u. s. w. Alle diese Erscheinungen sind dem natürlichen Laufe der Dinge gemäß. Sehe ich aber eine Masse von Häßlichkeit und Krankheit sowohl des Körpers als der Seele, von Stolz sich blähen, so ist sogleich meine Geduld zu Ende. Auch kann ich nicht begreifen, wie solch ein Laster und solch ein Thier zusammen passen können. Die weisen und tugendhaften Hauyhnhnms, welche in allen ausgezeichneten Eigenschaften, die ein vernünftiges Geschöpf nur ausschmücken können, so viel Ueberfluß haben, besitzen in ihrer Sprache keinen Namen für dieses Laster. Diese entbehrt ohnedem der Ausdrücke, welche etwas Böses bezeichnen, mit Ausnahme dessen, was sie an den verabscheuungswürdigen Yähus bemerken. Das Laster des Stolzes konnten sie aber bei denselben nicht ausfindig machen, weil sie die menschliche Natur nicht in dem Grade kennen konnten, wie dies in den Ländern, wo der Yähu herrscht, der Fall seyn muß. Ich, der ich jedoch mehr Erfahrung hatte, konnte einige Elemente des Stolzes bei den Yähus andeuten. Die Hauyhnhnms, die unter der Herrschaft der Vernunft leben, hegen nicht mehr Stolz auf ihre guten Eigenschaften, wie ich z. B. daß mir weder ein Arm noch ein Bein fehlt. Jedermann wird sich dessen wohl nicht rühmen, so lange er nicht verrückt ist, obgleich der Mangel jener Glieder ihn unglücklich machen müßte. Ich verweile länger bei diesem Gegenstande, weil ich die Gesellschaft eines englischen
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