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Gun Machine

Gun Machine

Titel: Gun Machine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warren Ellis
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auf den Schädel. Nichts stimmte mehr. Die gesamte Umgebung war ein Kaleidoskop aus Alt- und Neu-Manhattan, das ihm in den Augen brannte. An den bebenden Bäumen sprossen Straßenlaternen. Dem Briefkasten auf der anderen Straßenseite wuchs ein Skelett mit fadenscheinigen Muskeln; darunter wölbte sich das Blech wie Lungenflügel, um ein schreckliches, pfeifendes Kreischen auszustoßen. Die Straße warf Falten und splitterte, als die Insellandschaft der Vorkolonialzeit ans dunkle Dämmerlicht drängte. Der Jäger atmete tief und schwer, wie ein waidwundes Tier. Wieder schlug er sich auf den Kopf, wieder und wieder, während er die Augen so fest zusammenkniff, dass der Schmerz über seine Stirn und die Schläfen hinab in den Hals schoss.
    Als er die Augen öffnete, starrte der Jäger auf den Wagen, in dem der Cop im schwarzen Anzug angekommen war. Zitternd stolperte er über die Straße. Das Auto durfte nicht aus seiner Wahrnehmung entkommen. Ohne es aus den Augen zu lassen, wühlte er einen Bleistiftstummel und einen Serviettenfetzen mit dem aufgedruckten Namen eines Cafés aus der Tasche und befahl seiner Hand, das Zittern einzustellen. Mit höchster Konzentration– was ihm aufbrandende Kopfschmerzen und ein beunruhigendes Blitzen vor dem Sichtfeld einbrachte – notierte er sich Nummernschild, Hersteller und Modell des Wagens.

Vierzehn
    Früher war das Fetch das Blarney Stone. Beziehungsweise eines von vielen Blarney Stones. In den Five Boroughs existierten zu jedem beliebigen Zeitpunkt mindestens vier Bars namens Blarney Stone, doch dieses Exemplar, das vielleicht fettverschmierteste Plastik-Pub aller Zeiten, hatte vor einigen Jahren den Besitzer gewechselt. Die neuen Hausherren, die dem irischen Mutterboden selbstredend nie näher gekommen waren als beim Kauf eines Sacks Torf in einem Brooklyner Gartencenter, wollten das irische PVC -Flair erhalten, fanden aber offensichtlich, dass es ein Blarney Stone zu viel gab.
    Deshalb nannten sie den Laden Fetch. Entweder weil sich einer von ihnen ernsthaft für irische Folklore interessierte oder weil ihnen irgendwer erzählt hatte, dass das so was typisch Irisches sei, genau wie Kleeblätter und der ehrwürdige Brauch, die Ehefrau mit einem Stück Baum zu verprügeln. Eher Letzteres, vermutete Tallow, denn der Name stand auf einem übertriebenen Schild über der Tür und prangte in albernen grünen Lettern in den Fenstern.
    Tallow wusste, dass ein Fetch eigentlich eine irische Version des Doppelgängers war, die übernatürliche Kopie eines Menschen aus Fleisch und Blut, dessen Erscheinen meist das baldige Ableben des Originals nach sich zog. War das nicht ein großartiger Name für einen Laden, aus dem regelmäßig Betrunkene staksten, die alles doppelt sahen?
    Heute war sein Glückstag– er fand direkt gegenüber einen Parkplatz. Tallow grub in den Schlickablagerungen auf der Rückbank, fischte ein Tablet, einen E-Reader und einen kompakten WLAN -Router heraus und verstaute alles in einer alten Laptoptasche, deren zerdrückte Griffe freudlos unter dem Beifahrersitz hervorlinsten. Außerdem steckte er den Papierkram von der Lieutenant dazu. Beim Aussteigen spürte er, wie ein stechender Schmerz von seinen Schultern Richtung Knie schoss. Diese Erfahrung und die Tatsache, dass der Abend überraschend warm war, verleiteten ihn dazu, die Gürtelschnalle seines Pistolenhalfters zu öffnen und das Halfter samt Waffe unauffällig in die Tasche zu quetschen.
    Als er die Straße überquerte, warf Tallow einen Blick in die schmale Gasse auf der rechten Seite des Fetch. Er konnte nicht anders. In der Gegend erzählte man sich, in aufregenderen Zeiten seien Opfer von Kneipenschlägereien kurzerhand dort hinten deponiert worden wie Müllsäcke. Die Polizei hätte sie gar nicht erst eingebuchtet, weil es eine härtere Strafe gewesen sei, am nächsten Morgen als nasser, vom Bierurin der Saufkumpanen getränkter Sack aufzuwachen.
    Die Besitzer waren neu, aber sie hatten kein neues Geld investiert. Im Fetch knarrte alles vor Altersschwäche– die Tür, der Holzboden, das aufgeplatzte, schartige Pseudoleder der Sitznischen.
    Tallow ging zur Bar und zog sein übliches Ritual durch: Er betrachtete sämtliche Zapfhähne und bestellte sich schließlich ein Pint Cream Ale. Er betrachtete die Speisekarte, Vorder- und Rückseite und Tagesangebote, und bestellte sich schließlich einen Cheeseburger mit Zwiebelringen im Bierteig. Dann erkundigte er sich beim Barkeeper, ob draußen im

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