Gun Machine
Messergriff. Bald hatte er ihn gefunden. Er presste den Daumen auf den vorstehenden Rand des Futterals. Wenn es so weit war, könnte er das Messer rasch mit der rechten Hand ziehen und zugleich das Futteral nach unten schieben. Mit der Linken würde er das Futteral packen und abstreifen, während die bloße Klinge nach oben schwingen würde. Ein erster Aufwärtsschlag zum Gesicht, um die Beute kampfunfähig zu machen, sollte sie sich zu ihm umdrehen. Oder die Vorarbeit zu einem Abwärtsschlag auf den Schädelansatz, sollte sie sich nicht umdrehen. Der moderne Mann in ihm berechnete bereits den exakten Verlauf: Stieß er die Klinge zwischen die Wirbel C2 und C3, würde die Spitze zwischen den Zähnen austreten. Allein der Schock gab manchen Opfern den Rest. Ein sauberer Todesstoß. Sollte sich die Beute doch zu ihm umdrehen, würde sie sich nach dem Aufwärtsschlag ins Gesicht fassen, wodurch der Jäger genug Zeit und Platz für einen harten Fausthieb zwischen zwei Rippen hätte, dessen Druckwelle auf die gegenüberliegende Schulter zulaufen würde, durch die Zwischenrippenmuskeln ins Herz.
Der Jäger tötete nur ungern mit dem Messer. Doch vielleicht hatte diese Beute nichts anderes verdient, als wie ein Tier zu sterben.
Danach könnte er einige besonders geschätzte Werkzeuge zusammenraffen. Den Dieben Steine in den Weg legen. Eine erneute Rückkehr vorbereiten, um weitere Schätze zu bergen. Und Machen Zeit verschaffen, um zu tun, was in seiner Macht stand.
Der Zucker tat seinen Dienst. Die Straße war so ruhig, wie sie jemals sein würde. Der Jäger überquerte die Fahrbahn, die Hand mit dem Messer in der Tasche.
Tabak. Zumindest fast. Irgendetwas, das mit Zigarettentabak verwandt war, wenn auch nicht blutsverwandt. Tallow musste beinahe lächeln. Vielleicht hatte der verrückte Penner gar nicht so falschgelegen, als er über Zusatzstoffe geredet hatte.
Er öffnete die Augen und studierte das größte Zimmer, so gut es in der einsetzenden Dämmerung ging. Eines war klar: Der Täter hatte hier nie gewohnt. Der Vergleich mit der Kirche, der Tallow bei seinem ersten Besuch in den Sinn gekommen war, leuchtete ihm auch jetzt ein. Der Killer hatte diesen Ort immer wieder gezielt aufgesucht. Ein heiliger Ort. Jetzt begriff er auch, woran ihn einige der anderen Gerüche erinnerten– an abgestandenen Weihrauch. Er atmete erneut ein. Diesmal glaubte er, Zedernduft wahrzunehmen, vielleicht auch Wacholder.
Der Killer hatte hier nie gewohnt. Und trotzdem war Tallow überzeugter denn je, dass die Lösung des Rätsels in diesem Apartment lag. Dass das Apartment die Lösung war.
Der Jäger trat auf den gegenüberliegenden Gehsteig und blickte sich abermals um. Nur ein paar Autofahrer würden beobachten, wie er das Gebäude betrat, und keiner von ihnen schenkte ihm ausreichend Beachtung, um später nützliche Auskünfte geben zu können. Autos waren nicht von Belang. Er nahm sie kaum wahr. Sie flackerten in seinem Sichtfeld wie Rehe im tiefen Wald. Der Jäger ließ sie vollständig vergehen, bis ihr Lärm zu Hufgetrappel, Vogelgesang und Sturmwind in der Höhe wurde. Er atmete tief ein, hielt die Luft an und öffnete die Tür– ganz vorsichtig, als würde er den schweren Ledervorhang am Eingang einer Jagdhütte zurückstreifen, als würde ihn im Inneren eine reinigende Zukunft erwarten.
Tallow beschloss, dass er im Wesentlichen richtig gehandelt hatte, egal wie roboterhaft er seine kleine To-do-Liste durchgehechelt hatte. Solange Scarly und Bat die Fotos wie gefordert vergrößern und anordnen ließen, konnte er morgen anfangen, ernsthaft über das Ganze nachzudenken.
Doch blöderweise hatte er bisher vergessen, die Lieutenant anzurufen, und angesichts ihrer morgendlichen Stimmung konnte er sich weisere Entscheidungen vorstellen, als sich nicht bei ihr zu melden. Mit aller Macht zwang er seine Gedanken in einigermaßen geordnete Bahnen. Er musste ihr die Errungenschaften des heutigen Tages in einem günstigen Licht präsentieren.
Als er sich aufrichtete, verzerrte sich sein Gesicht. Offenbar war er nicht mehr beweglich genug, um länger in der Hocke auszuharren. Er ging auf und ab und schüttelte die Beine aus, blieb mit dem Rücken zur Treppe stehen und holte sein Handy raus.
Langsam, als könnten unter seinen Füßen morsche Zweige knacken, pirschte sich der Jäger durchs Erdgeschoss. Jedem vorsichtigen, exakt gesetzten Schritt ging ein genaues Studium der unmittelbaren Umgebung voraus.
Die Lieutenant klang völlig
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