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Gun Machine

Gun Machine

Titel: Gun Machine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warren Ellis
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Einheimischen zu eröffnen – und als sie sahen, wie eifrig Wampum getauscht wurde, glaubten sie, die Lösung gefunden zu haben. Sie begannen, eigenes Wampum herzustellen. Zuerst taten sie sich zweifellos schwer, versuchten sie doch, eine Währung zu fälschen, die sie nicht richtig verstanden. Doch sie hatten einen entscheidenden Vorteil: Die Bewohner Mannahattas waren eine steinzeitliche Gesellschaft, die bis ins 17. Jahrhundert überlebt hatte; den Europäern standen Metallwerkzeuge und alle anderen Errungenschaften einer Zivilisation zur Verfügung, die nur ein knappes Jahrhundert vor dem Höhepunkt der Industriellen Revolution stand.
    Was die Eingeborenen wohl von diesem Versuch der Kontaktaufnahme hielten? Die Europäer produzierten Wampum, das mit kultureller Bedeutung und Erinnerung aufgeladen war, und wollten es gegen Felle und Nahrungsmittel tauschen. Ich frage mich, ob sie glaubten, unter Zwang zu stehen, ob sie sich verpflichtet fühlten, das seltsame, nutzlose Wampum anzunehmen und den Europäern im Gegenzug Güter auszuhändigen, die diese zum Überleben brauchten.
    Bald kam es, wie es kommen musste: Die Niederländer überfluteten den winzigen, primitiven Markt mit gefälschtem Wampum. Eine massive, rasend schnelle Überproduktion, die von den Dörfern Mannahattas nur in Bruchteilen absorbiert werden konnte. So verursachte und verwaltete die Wall Street den ersten Finanzkollaps Amerikas. Doch die Felle, Nahrungsmittel und anderen Güter, die man den Lenape mit der gefälschten Währung abgekauft hatte, ermöglichten es der Mauer der Wall Street erst, immer weiter zu wachsen, bis sie Dörfer wie Werpoes umschlang und verschluckte. Das Dorf existiert bis heute, begraben unter der Innenstadt – ein geheimer Ort der Macht, der in meinen Augen nicht in der neuen Macht der Wall Street aufgegangen ist.
    In meinen Augen harrt er im Verborgenen aus, erfüllt von der glühenden Halbwertszeit der Lektionen, die er lernen musste, und der Rache, auf die er sinnt.
    Ich darf mich dem alten Werpoes nicht nähern. Wer diesen gesperrten, nur Freunden zugänglichen Eintrag lesen kann, weiß, dass es in meinem Leben Probleme gibt, über die ich höchstens in vagen Andeutungen sprechen darf. Dennoch denke ich mir Woche für Woche neue Gründe aus, dem Dorf etwas näher zu kommen: Ich muss in ein bestimmtes Geschäft, um Schnittblumen zu kaufen, oder in ein bestimmtes Café, um mir etwas zu essen zu besorgen. So taste ich mich zentimeterweise heran, allen Risiken zum Trotz, weil mein frühestes Interesse der Macht galt. Und weil die Bewohner Werpoes’ meines Wissens die ersten waren, die von Finanzverbrechen erdrückt wurden, wie ich sie als Broterwerb verübt habe. Ein Broterwerb, der mir letztlich ganz und gar zu dem Leben verholfen hat, das ich nun führe.
    Seitdem musste ich mir viel Wissen über die Kultur der amerikanischen Ureinwohner aneignen. Sie zieht mich an, sie fasziniert mich, und ich hoffe, dass mich mein Wissen in den kommenden Jahren schützen wird. Doch auch die Macht zieht mich an, und ich weiß, wo die Macht wartet.
    Geht nicht nach Werpoes. Es ist nicht sicher.

Neunzehn
    Tallow wachte um etwa sechs Uhr früh auf. Er fühlte sich, als wäre er in der Nacht von Felsbrocken überrollt worden.
    Nach der Dusche war es auch nicht besser. Als er sich nach einer kurzen, aber explosiven Klositzung zum Spülen umdrehte, war Blut in der Schüssel. Er zog sich an, stopfte ein paar Sachen in die Laptoptasche und ging.
    Um sieben stand er vor einem großen Blumenladen in der Maiden Lane, den er kannte. Das Geschäft machte gerade erst auf. Aus Lastern, die in zweiter Reihe vor den Bäumen am Straßenrand parkten, wurden blättrige Waren ins Innere geschafft. Tallow drückte sich durch die Tür, vorbei an zwei irritierend gesunden Männern in weißen Unterhemden und Jogginghosen, die Palletten voller schwerer Pötte trugen wie Kaffeetabletts. Zwischen zwei großen, stinkenden Vegetationsmonolithen, die ihn am ehesten an Triffids erinnerten, wurde er von einer zierlichen Dame entdeckt. » Tut mir leid, wir haben noch nicht geöffnet. «
    Mit leichtem Bedauern präsentierte er ihr seine Marke. » Ich weiß. Ich hätte nur eine kurze Frage. «
    Die Dame umrundete die Pflanzen und wischte sich die Hände an einer Jeans ab, die vor fünf Jahren vielleicht mal blau gewesen war. Sie war lilienblass und gertenschlank und hatte trübe schimmerndes Haar, wie alle Blondinen, die seit Langem in der Sonne arbeiten. » Was

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