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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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sollte, begann täuschend normal. Später hatte sie sich oft gefragt, ob es nicht ein Zeichen gegeben hatte, irgendetwas, das sie bemerkt haben könnte.
    Doch da war nichts gewesen.
    Gar nichts.
     
    Sie schloss beschwingt die Tür zu ihrem kleinen Laden auf.
    Hannes Traum von der eigenen Existenz!
    Natürlich wusste sie, wie viele Leute im Dorf hinter ihrem Rücken tuschelten. Andere belächelten ihre hochfliegenden Pläne und sahen sie mit einem mitleidigen Blick an, der nahelegte, sie wisse es eben nicht besser, dumm geboren, nichts dazugelernt …
    »Du wirst so schnell pleite sein, dass es sich für dich eigentlich gar nicht lohnt, die Regale einzuräumen«, bekam sie wenig aufmunternd aus dem Mund ihres Vaters zu hören. »Und dann? Wo soll der ganze Krempel hin, für den du dich auch noch verschuldet hast?«
    Doch Hannes Optimismus war eine stabile Größe. Über eine finanzielle Krise und deren Bewältigung würde sie nachdenken, wenn sie tatsächlich drohte – und keine Sekunde früher.
    Fröhlich den Sommerhit des Jahres vor sich hin trällernd, hängte sie ihre Jacke über den Stuhl hinter der Kasse und schlüpfte in einen apfelgrünen Kittel. Zufrieden sah sie sich um. Im Regal stand Bürgelkeramik neben Honig von einem befreundeten Imker, getöpferte Figuren und Windlichter waren genauso zu finden wie Tischdecken aller Größen in Blaudrucktechnik. Stimmungsvolle Aquarelle ihrer Freundin Susanne, die nach der Scheidung von ihrem Traummann das bisher verschüttete künstlerische Potenzial entdeckt hatte, hingen an der Wand. Besonders beliebt waren ihre Darstellungen des Spreewaldes, des Pücklerschen Schlosses im Branitzer Park in Cottbus und der Seepyramide, unter der des Fürsten Herz bestattet war. Alkoholisches aus dem Spreewald stand in den Regalfächern weiter oben, außerhalb der Griffweite von Kindern. Künstler boten ihre kleinen Skulpturen von Sagengestalten und Trollen an, scharfe und milde Soßen mit Spreewälder Zutaten warteten neben der Kasse auf Käufer. Zu Weihnachten würde sie hier auch Quiltdecken und andere schöne Geschenkideen anbieten, nahm sie sich vor.
    Die Gurken für ihren Spreewaldladen standen noch auf dem Hof. Hanne hatte sich für eine mittelgroße, ortsansässige Firma entschieden, eine, bei der die Gurken noch mit Liebe verarbeitet wurden. Die Gläser würde sie jetzt reinholen und ins Regal und den Kühlschrank einräumen – ein paar vielleicht auch im Schaufenster dekorieren. Gerade bei einem Ausflug gehörten gekühlte saure Gurken einfach dazu, dachte Hanne, lachte gluckernd und machte sich an die Arbeit. Was wäre denn ein Spreewaldladen ohne Spreewaldgurken? Schon Theodor Fontane war von dieser Spezialität begeistert gewesen! Liebevoll drehte sie jedes Glas so, dass es mit dem Etikett zum Kunden hin auf dem Brett stand.
    Vielleicht hätte ihr zu diesem Zeitpunkt etwas auffallen müssen. Dass eine Kiste mit einem anderen Klebeband verschlossen worden war als die restlichen, zum Beispiel. Aber sie war einfach nicht in einer Stimmung, die Platz für Argwohn ließ. So traf der Schlag sie völlig unvermutet. Sprachlos starrte sie das Glas in ihrer Hand an, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Eines war wohl unbestreitbar: So etwas fiel nur jemandem ein, der ihr den Erfolg nicht gönnte.
    »Warum tut man mir so etwas an?«, flüsterte sie tonlos. »Diese neidischen Miststücke!«
    Zwischen den grünen Gurken zogen die Senfkörner an einem trüben, menschlichen Auge vorbei.

1
    Auf leisen Sohlen schlich die Gestalt die Treppe hinauf. Tief sanken die Füße in den hochflorigen Teppich ein. Ohne zu zögern wandte sie sich auf dem Treppenabsatz nach links und erreichte nach wenigen Schritten das Arbeitszimmer des Hausherrn.
    »Ach, du bist’s. Hast du mich vielleicht erschreckt!«
    Die Gestalt hob das Gewehr bis zur Schulter und peilte sorgfältig ihr Ziel an.
     
    Annabelle schrie.
    So laut und durchdringend, wie es ihr nie jemand zugetraut hätte und derart kompromisslos, als habe sie beschlossen, nie mehr damit aufzuhören. Als ihre Großmutter endlich angelaufen kam, fand sie das Mädchen stocksteif in der Nähe des Fensters stehen, die Arme fest an die Seiten gepresst, die Hände zu blutroten Fäusten geballt, den Kopf in den Nacken geworfen und mit weit aufgerissenen Augen an die Decke starrend. Ihr Mund war weit geöffnet und sie schrie schrill, scheinbar ohne Atem zu holen. Noch lange Zeit später sollte sie anfangen zu wimmern, wenn sie in diesen Raum

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