Hab keine Angst!
gedacht?«
»Na ja, äh«, stottert der Krake. »Ich wollte ihn doch wieder zurückbringen.«
»Ach ja? Zurückbringen? Wann denn? Morgen? Dann wäre der Drache aber nicht mehr sehr lebendig gewesen! Der braucht nämlich Luft zum Atmen, du Saugnapf! Schon mal davon gehört?«
»Ja, äh, also, doch, schon, ja«, stottert der Krake.
»Dann entschuldige dich gefälligst!«, ruft Pieter.
Der Krake blickt auf Kokosnuss, Oskar und Matilda herab. »Tja, äh, Entschuldigung dann auch, soll nicht wieder vorkommen«, sagt er und zieht schnell seine Fangarme vom Boot herunter.
»Nun dann, äh, auf Wiedersehen und schönen
Tag auch noch.« Er wendet sich um und ist im Nu im Meer verschwunden.
Kokosnuss, Matilda und Oskar blicken Pieter erstaunt an.
»Was habt ihr denn?«, fragt der kleine Pirat, der immer noch wütend ist.
»Dem hast du’s aber gegeben«, sagt Kokosnuss.
»Der lässt sich so schnell nicht wieder hier blicken«, sagt Matilda.
»Hut ab!«, sagt Oskar.
Da lässt sich Pieter missmutig auf das Bootsdeck nieder. Traurig schaut er auf das Wasser. »Das Amulett«, schluchzt er. »Für immer in der Großen Schlucht verloren! Jetzt werde ich für immer Pieter Backbord der Ängstliche bleiben! Ohne das Amulett werde ich niemals mutig und tollkühn sein!«
Kokosnuss, Matilda und Oskar blicken einander an.
Dann sagt Kokosnuss: »Pieter, was du heute getan hast, war aber sehr mutig und sehr tollkühn!«
»Mutiger und tollkühner geht’s gar nicht!«, pflichtet Matilda bei.
»Also«, sagt Oskar, »ich kenne niemanden, der so mutig ist wie du.«
Pieter blickt die anderen erstaunt an. »Findet ihr?«
»Na«, sagt Kokosnuss, »wie du eben dem Kraken die Meinung gesagt hast! Kolossal!«
»Echt dufte!«, sagt Oskar.
»Einfach cool!«, sagt Matilda.
»Meint ihr wirklich?«, sagt Pieter und plötzlich wird er vor lauter Verlegenheit ganz rot.
»Na klar!«, antwortet Kokosnuss. »Du brauchst überhaupt kein Amulett. Du hast uns doch auch so gerettet, ganz allein! Für mich bist du jetzt Pieter Backbord der Mutige.«
»Für uns auch!«, sagen Matilda und Oskar.
»Aber … aber ich hatte doch wirklich furchtbare Angst«, sagt Oskar. »Meine Knie zittern immer noch.«
»Na und?«, entgegnet Kokosnuss. »Mir zittern auch manchmal die Knie. Angst hat doch jeder mal, sogar der Allermutigste. Du warst sehr mutig, obwohl du Angst hattest. Das ist etwas ganz Besonderes!«
Pieter denkt einen Augenblick nach. Er blickt zu Kokosnuss, dann zum Meer und dann wieder zu
Kokosnuss. »Hm, wenn ich es mir überlege, hast du wohl Recht. Außerdem: Was ist schon so ein Amulett?« Dann grinst er und seine Augen leuchten: »Freunde sind doch viel viel wichtiger!« Und da merkt Pieter, dass er sich in seinem ganzen Piratenleben noch nie so wohl gefühlt hat. Der mutige kleine Pirat steigt wieder mit den anderen ins U-Boot hinunter und lenkt es bis an den Strand.
Bevor sich Kokosnuss, Matilda und Oskar von Pieter verabschieden, trinken sie am Lagerfeuer auf ihre neue Freundschaft. Die beiden Drachen und das Stachelschwein trinken frische Kokosmilch und Pieter nimmt einen großen Schluck Rum. So, wie es sich für einen richtigen Piraten gehört.
Am nächsten Tag hat der Sturm am Horizont sich verzogen. Die Drachenschulklasse und die Stachelschweinschulklasse bauen ihre Lager ab und verstauen alles auf den Flößen.
»Ablegen!«, rufen die Lehrer Kornelius und Trafalgar.
Kokosnuss, Matilda und Oskar schauen zurück zur Schildkröteninsel. Was wird nur Pieter mit seiner Zeit anfangen, denkt Kokosnuss, jetzt da er nicht mehr nach dem Amulett suchen muss?
Doch da sieht er, wie ein seltsames, krummes Rohr sich im Meer von der Insel fortbewegt. Schnell bewegt es sich, so schnell, dass es bald am Horizont verschwunden ist.
»Er fährt bestimmt zurück zu den anderen Piraten«, murmelt Oskar, der wie Kokosnuss das kleine U-Boot beobachtet hat.
»Wer weiß«, meint Kokosnuss. »Vielleicht kommt er uns mal auf der Dracheninsel besuchen. Angst vor Drachen hat er bestimmt nicht mehr.«
Ingo Siegner, Jahrgang 1965,
lebt in Hannover und arbeitet, wenn er nicht
gerade kleine Drachen zeichnet,
bei einem Veranstalter für Familienreisen.
Der Autodidakt schreibt und zeichnet
schon seit Jahren.
cbj ist der Kinder- und Jugendbuchverlag
in der Verlagsgruppe Random House
www.cbj-verlag.de
Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform.
1. Auflage 2004
© 2004 cbj,
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