Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)
Einleitung
Maschinen bestimmen unseren Alltag schon seit langer Zeit. Die Macht und das Wissen, die Energie der Bewegung von Wind und Wasser so zu nutzen, daß sein Leben leichter, seine Arbeit produktiver wurde, hat der Mensch bereits seit Jahrtausenden. Bessere, schnellere, leistungsfähigere Maschinen und Automaten vervielfachen unsere Kraft. Seit dem Heraufdämmern des Computerzeitalters verstärken sie auch unsere geistigen Kräfte, lassen uns Informationen schneller und auf immer neue Arten verarbeiten und Systeme bauen, deren Komplexität das Fassungsvermögen des menschlichen Gehirns bei weitem übersteigt.
Der jeweilige Stand der Technologie hat die Struktur der Gesellschaft, das Zusammenleben, die Kommunikation, die Arbeit und die ökonomischen Zustände beeinflußt und manchmal ganz direkt bestimmt. Immer wenn sich eine neue Technologiewelle durchsetzte, kam es zu teils dramatischen Umwälzungen, die oft für großes Leid, Ungerechtigkeiten und Machtverschiebungen, aber auch für neuen Wohlstand, Beschleunigung von täglichen Abläufen oder neue Bequemlichkeiten sorgten.
Etablierte Lebens-, Arbeits- und Denkweisen wurden zum Teil binnen weniger Jahre obsolet, über lange Zeit erworbene Fertigkeiten und Kenntnisse wertlos. Schaut man zurück auf historische technologische Revolutionen, so sind es stets einige wiederkehrende Faktoren, die bestimmten, wie heftig sich technische Neuerungen auf die Gesellschaft auswirkten und in welcher Form. Insbesondere die Geschwindigkeit ihrer Umsetzung und die Zahl der direkt und indirekt betroffenen Menschen waren ausschlaggebend dafür, wie drastisch die Veränderungen waren.
Länder, in denen sich eine Technologie zuerst in großem Umfang durchsetzte, wie etwa die Dampfmaschine oder der automatische Webstuhl in England, hatten einen teils über Jahrzehnte anhaltenden wirtschaftlichen Vorsprung, auf dem ganze Weltreiche errichtet wurden. Der Preis dafür waren nicht selten gesellschaftliche Zustände, die von großer Ungerechtigkeit, wirtschaftlicher und sozialer Spaltung, später oft Protesten geprägt waren. Der neue Wohlstand und die Dividenden der Automatisierung waren oft höchst ungleich verteilt.
Die Frage, wie die heutigen technologischen Umbrüche bewältigt werden können, die durch die Digitalisierung und Vernetzung, durch die Beschleunigung der Kommunikation und Datenverarbeitung und durch die weitreichende Automatisierung und immer »intelligenter« werdende Algorithmen gerade geschehen, ist eines der Kernprobleme unserer Zeit. Schaut man in die Geschichte zurück, ist es nicht ausgemacht, daß die Umwälzungen friedlich und gerecht geschehen, daß unsere derzeitigen Mechanismen für sozialen und ökonomischen Ausgleich und die Ausbalancierung von Macht in der Gesellschaft mit der Geschwindigkeit und dem Umfang der Veränderungen mithalten können.
In der Morgendämmerung der industriellen Revolution in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts kam eine Vielzahl von neuen Maschinen auf den Markt. Sie erleichterten und beschleunigten die Arbeit besonders in der Textilindustrie und der Landwirtschaft in England. Mechanisierte Webstühle und Spinnmaschinen machten die bisher in Gilden organisierten, spezialisierten und erfahrenen Weber und Spinner innerhalb weniger Jahre praktisch überflüssig. Ihre Arbeit konnte nun auch von Ungelernten erledigt werden, die nur kurz in die Bedienung der neuen Maschinen eingewiesen wurden.
Die Ludditen-Unruhen, Namensgeber der Maschinenstürmer in den folgenden Jahrzehnten, und die sogenannten Swing Riots richteten sich vordergründig direkt gegen die neuen Maschinen, die vielerorts zerstört wurden. Im Kern ging es jedoch um die wirtschaftlichen Verhältnisse, nicht um die Technologisierung an sich. Diese Verhältnisse wurden zementiert durch Gesetze, die die ökonomische Macht bei den ohnehin Reichen beließ, wie etwa durch die Privatisierung von Allmendeland, das zuvor von den Landlosen genutzt werden konnte, um sich zu ernähren. Eine Motivation dieser Gesetze war es auch, größere Flächen in weniger Händen zu konzentrieren, um die neugewonnene Kraft der Maschinen noch effizienter nutzen zu können – und damit noch größere Profite zu machen. Schon hier zeigt sich die enge Verwobenheit von technischem Fortschritt, Wohlstand und gesellschaftlichen Zuständen, die sich nicht isoliert betrachten lassen.
Wie paradox und unvorhersehbar die sozialen und gesellschaftlichen Effekte einer neuen Technik sein
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