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Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Titel: Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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Die Sä c ke sahen sehr strapazierfähig aus, und sie reichten bis zu den Schienbeinen. Es wirkte auf mich, als würde ein Dekorateur seine Schaufensterpuppen einkellern oder winterfest machen.
    Dann wandte er sich mir zu. Diesen Augenblick hatte ich in den letzten, vom infernalischen Brummen des Kompressors untermalten Minuten mehr gefürchtet als jemals irgend etwas zuvor in meinem Leben.
    »Franco?« Die Stimme des Tankstellenchefs hatte eine unte r schwellige Schärfe angenommen, so als müsste Franco zu dem, was jetzt zu tun war, besonders ermahnt werden.
    »Leg los. Ich bin vorne, wenn was ist«, sagte er mit leicht ang e widertem Unterton, drehte auf dem Absatz und verließ die Halle. Ich hörte seine Schritte auf dem Gitterboden des Gangs verhallen . Ich wäre da nie ungehört weggekommen .
    Franco ging vor mir in die Hocke. Er zog eines meiner Lider nach oben und schaute mir prüfend ins Auge.
    »Was wird das jetzt, Mann?«, fragte ich mit zitternder Stimme. Es war wie beim Zahnarzt, nur ohne nette Helferin – und ohne die Gewähr, jemals wieder aus eigener Kraft von diesem Stuhl aufzustehen.
    Daran war nur Jack schuld. Daran war nur SIE schuld.
    Franco richtete sich schweigend auf, öffnete dann die Plastikt ü te und entnahm einige Gegenstände. Er entfaltete ein wild g e färbtes Tuch auf dem Boden , dann stellte er einige Flaschen und Phiolen darauf. Er sah mich nicht an.
    »Hallo … ?«, sagte ich, aber er schien mich nicht zu hören, ko n zentriert wie er war.
    Er griff erneut in den Beutel. Ich glaubte zu wissen, was nun kam. Die Nadel.
    Jetzt kam die Nadel …
    Stattdessen legte er etwas auf das Tuch, was ich vorher noch nie leibhaftig gesehen hatte, aber von Bildern japanischer N o belrestaurants kannte :
    Einen Kugelfisch.
    Das Tier lag schillernd, rundum stachelbewehrt und fraglos tot auf der Seite.
    Dann, als wolle Franco ein bizarres Menü kreieren, legte er einen Beutel Gummibärchen, einige Schokoriegel und einen Barren Marzipan , der mir ein schauerliches D é ja - Vu bescherte , daneben.
    Dann erst kam die Nadel.
    Franco wischte sie an seinem Ärmel ab und legte sie zu den anderen Dingen auf das Tuch, das so dekoriert wie eine perve r se Picknickdecke aussah. Ich erkannte die Schnitzerei am Ende der Nadel als kunstvoll gefertigten Schlangenkopf.
    Er entnahm der Tasche seiner Jeansshorts ein kleines T a schenmesser, klappte es auf und stach in die Unterseite des Fisches. Zum ersten mal an diesem Abend bekam ich Blut zu sehen. Ich bezweifelte, dass es das letzte Mal war.
    Dem Blut des Tieres folgte ein wenig klare Flüssigkeit, die er geschickt in einer braunen Phiole auffing.
    » Wieviel wiegst d u?«
    »Warum?«
    Er stand blitzschnell auf und schlug mir ins Gesicht. Sofort lief es aus meiner Nase, als hätte jemand einen Wasserhahn aufg e dreht. Der erdige Geschmack meines eigenen Blutes füllte me i nen Mund, als ich antwortete.
    »Fünfundachtzig.«
    Er nickte, als hätte er das sowieso geschätzt.
    » Wieviel hast d u getrunken?«
    »Ein Glas oder so«, beeilte ich mich , zu antworten. Panik übe r kam mich. Bis jetzt war mir bis auf den Schlag ins Genick nicht s passiert , aber meine Sterne standen unfassbar mies, so, wie es aussah.
    Franco musterte mich scharf, als würde er über meine Aussage nachdenken. Dann drehte er sich um, ging in die Hocke und begann zu arbeiten. Er vermischte den Inhalt verschiedener Fläschchen, schüttelte mal, schwenkte dann nur, stellte ein s we g, holte ein anderes hervor und schien nach einigen Minuten hoch zufrieden. Schließlich tat er etwas, d as mich vollends aus der Fassung brachte, weil mir das erste Mal bewusst der G e danke kam, der Mann sei wahnsinnig.
    Er riss die Packungen der Süßigkeiten auf , legte sie im Hal b kreis zu meinen Füßen auf den Boden und e rgriff das Fläsc h chen, das er neben dem Fisch abgelegt hatte . E r hatte von Zeit zu Zeit hingeschaut, um sich zu vergewissern, dass es nicht umgekippt war.
    »Du trinkst das jetzt. Es ist bitter, aber d u wirst nicht sterben oder so.«
    Er hielt die Flasche dicht vor meinen Mund. Durch den G e ruch meines Blutes nahm ich noch etwas anderes wahr: den Gestank toter Pflanzen, tranigen Fischgeruch und einen Duft, der so fremd war, dass mir leicht schwindelig wurde.
    »Du kannst mich mal!«
    Erstaunlich, wie groß meine Klappe war; war es doch das ei n zige Körperteil, das ich bewegen konnte.
    Er ergriff wortlos meinen Kiefer, umschloss ihn mit seiner warmen, nach Gewürzen riechenden

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