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Halsknacker

Halsknacker

Titel: Halsknacker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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nichts vielleicht. Ich weiß es nicht.«
    Sie stehen im Herzen des Alsergrunds, am Scheideweg einer kleinen, sich wandelnden Welt, die ein Abbild der großen ist. Links steigt die Berggasse steil und gerade zum Himmel an, rechts führt die enge Servitengasse auf den idyllischen Kirchplatz zu.
    »Was machst du jetzt mit deinem Haxen? Den solltest du dir anschauen lassen, aber g’schwind.«
    »Ja … Wahrscheinlich hast du recht. Das sollte ich tun.«
    Kollmann nickt Strotzka nachdenklich zu, salutiert – ganz nach Vorschrift – und wendet sich – immer noch grübelnd – nach rechts. Im kühlen Schatten der Bäume hinkt er zum heiligen Peregrin hin.

Der Mann mit der goldenen Backe
    W as Eduard Schestak mit Herbert Kopeinig verband, war nichts als eine – wenn auch erstaunliche – äußere Ähnlichkeit. Beide knapp zwei Meter groß, beide mit heller, leicht rötlicher Haut und aschblondem Haar, beide von ungefüger, um nicht zu sagen grobschlächtiger Physiognomie: eine breite, geplättete Nase, zwischen zwei winzige blassblaue Augen gezwängt. Dazu die dicken, immerzu grimmig verzogenen Lippen: kein Ausdruck chronisch schlechter Laune, sondern die Folge der bulldoggenähnlichen Zahnstellung, die ein verschobener Unterkiefer nun einmal verursacht. Die Anordnung des Fleisches auf den Knochen, der Haut auf dem Fleisch, ein winziger Paarlauf ihrer genetischen Disposition also, das war die einzige Gemeinsamkeit zwischen Schestak und Kopeinig. Davon abgesehen konnten sie kaum verschiedener sein.
    Kopeinig schwamm im Geld und Schestak stand das Wasser bis zum Hals. Kopeinig war geachtet und erfolgreich, Schestak war schon zufrieden, wenn er die Miete zahlen konnte. Kopeinig hatte eine wunderschöne Frau (man plante Kinder, sobald sie ihre Karriere als Fotomodell an den Nagel gehängt haben würde), Schestak besaß ein paar einschlägige Videos und Hochglanzjournale. Kopeinig strotzte vor Gesundheit, Schestak kämpfte mit bedenklichen Leberwerten. Kopeinig war im ganzen Land berühmt, während man Schestak nur in seinem Stammlokal beim Namen kannte. Kannte, wohlgemerkt, nicht nannte. »Da kommt er ja endlich, der Kopeinig!«, hieß es, sobald Schestak das Wirtshaus betrat.
    Der Mittelstürmer Herbert Kopeinig war in den vergangenen Jahren zur größten Hoffnung des österreichischen Nationalteams herangereift. Wobei das Wort Hoffnung in diesem Zusammenhang schon lange den Beigeschmack einer chronischen Krankheit trug: Die Hoffnung lebt eben nur so lange, bis sie erfüllt wird, und davon war der alpenrepublikanische Fußball – trotz Herbert Kopeinig – weit entfernt. Gut dreißig Jahre lag der letzte große Sieg der österreichischen Mannschaft zurück, und sogar der war vor allem ein Sieg der Schadenfreude gewesen. Nachdem man selbst bereits an aussichtsloser Stelle lag, hatte man bei der Weltmeisterschaft 1978 die mächtigen Deutschen besiegt und – im wahrsten Sinne des Wortes – aus dem Bewerb gekickt. Man hatte den Nachbarn die lange Nase gezeigt und war zeitgleich mit ihnen nach Hause gefahren – welch ein Triumph! Das Wunder von Córdoba: Noch heute sprach man mit Stolz und nostalgischer Wehmut davon.
    Nach Córdoba hatte dann nur noch die Hoffnung regiert. Die zähe, Jahr für Jahr genährte Hoffnung auf einen jungen Stürmerprinzen, der Österreich – nun aber wirklich! – aus seinem Fußballertiefschlaf küssen würde. Herbert Kopeinig war kein Einzelfall; er war nur der Letzte in einer langen Reihe von Hoffnungsträgern.
    »Da kommt er ja endlich, der Kopeinig!«
    Eduard Schestak schloss die Tür und wandte sich dem Stammtisch zu. »Sehr lustig«, meinte er. »Wirklich sehr lustig. Dass euch versoffenen Deppen nie was Neues einfallt …«
    »Wenn du ihm aber so ähnlich schaust …«
    »Ich ihm?« Schestak schlug mit der Faust auf die Tischplatte. »Nix da ich ihm! Höchstens – aber auch allerhöchstens! – er mir!« Wütend ließ er sich auf die Sitzbank fallen, während ein schweigsames Schmunzeln die Runde machte. Es gehörte zum täglichen Ritual, den Schestak ein wenig zu ärgern – so hielt man sich für die Biere und Spritzweine schadlos, die er im Laufe des Abends zusammenschnorren würde.
    Dem Auftakt des Stammtischzeremoniells war somit Genüge getan, und man konnte zum Hauptteil übergehen. Politik und Fußball, Fußball und Frauen, Frauen und Schmäh führen, Schmäh führen und Politik, den Schestak ärgern und Fußball, so lautete üblicherweise das Protokoll. Seit ein paar Wochen

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