Haltlos
Treffer Vorsprung gewinnen – ich will ja schließlich nicht abgeschlachtet werden.“
Lenir hielt seine Hand hin und Jaromir schlug ein.
„Abgemacht!“, lachte sein Freund. „Komm, wir starten gleich im Garten!“
„Ja, ja, geh du schon mal nach unten in den Speisesalon“, antwortete Jaromir lahm. „Ich muss noch eine Kleinigkeit erledigen und komme gleich nach.“
Lenir machte sich auf den Weg und rief ungeduldig über die Schulter zurück: „Wehe, du brauchst zu lange, dann mach ich dich platt!“
„Das machst du doch sowieso“, gab Jaromir resigniert zurück, doch das hörte sein Freund schon nicht mehr.
Kaum war Jaromir allein, setzte er sich sofort mit Victoria in Verbindung. Nur für den Fall, dass Lenir sein Tun beobachteten sollte, ging er an den Rechner und checkte pro forma seine Mails. Das gab ihm wenigstens eine kleine Tarnung.
„Hey Kleines, tut mir leid, dass ich dich so lange habe warten lassen. Ich wollte einfach nicht das Risiko eingehen, dass unsere Gedankenunterhaltung seine Aufmerksamkeit auf dich lenkt.“
Sie seufzte erleichtert: „Ist schon ok, Jaro. Sag mir einfach nur, wo ich heute Nacht schlafen soll. Ich bin hundemüde.“
Jaromir überlegte kurz und zeigte ihr dann den Weg in Alberts Räume. Der Butler hatte sogar ein Gästezimmer, das sie benutzen konnte.
Dann sagte er zärtlich zu ihr: „Ich wünsche dir süße Träume. Aber wenn du willst, guck uns doch noch zu. So ein Drachenkampf ist wirklich mit nichts zu vergleichen, was ihr Menschen kennt. Allerdings wirst du sehen, wie ich gnadenlos verliere.“
Victoria hüllte ihn mit Liebe ein und meinte augenzwinkernd: „Jeder hat seine Stärken und Lenir möchte die seinen ganz offensichtlich heute Abend noch einmal ausspielen, bevor er sich morgen in die Höhle eures Mentors wagt.“
Da musste Jaromir grinsen.
Der Regen hatte etwas nachgelassen, als Jaromir und Lenir in den Park hinaustraten. Lenir freute sich auf den Wettkampf wie ein kleines Kind, während sein Freund missmutig neben ihm her stapfte.
Victoria hatte sich auf Alberts Gästebett gelegt und verfolgte das Geschehen über Jaromirs Geist. Auf einer Lichtung verwandelten sich die beiden und sie konnte die ungeheure Macht der Drachen spüren. Sie fühlten sich jetzt ganz anders an und doch waren sie noch dieselben – es war wirklich merkwürdig…
Die matt schwarz schimmernden Himmelsechsen machten sich zwar gleich unsichtbar, aber durch Jaromirs Augen konnte Victoria ihre magische Aura sehen. Beide Drachen erschienen ihr durchscheinend und schillernd, fast wie Seifenblasen. Das sah echt krass aus. Sie erkannte, dass diese Form der Wahrnehmung ebenfalls einer von Jaromirs Zaubern war und nahm sich vor, den bei Gelegenheit selbst mal auszuprobieren.
Aber jetzt stießen sich die Kontrahenten auch schon vom Boden ab und Victoria spürte ihre unglaubliche Kraft. Mit mächtigen Schwingenschlägen gewannen die beiden schnell an Höhe. Sie schossen in Richtung Förde und jagten kurz über der Wasseroberfläche dahin.
Selbst Jaromir machte das Fliegen Spaß. Sie spürte seine Freude, das überwältigende Gefühl von Freiheit, Kraft und Geschwindigkeit. Auch wenn er eigentlich keine Lust auf den Wettkampf hatte, wollte Jaromir es Lenir heute keineswegs leicht machen und zog voll durch.
Nach ein paar Augenblicken lag Lenir zurück und Jaromir war sich sicher, dass dies wieder einer von den hinterhältigen Tricks seines Freundes war. Er wusste zwar noch nicht, was der vorhatte, aber das wurde ihm sowieso immer erst dann klar, wenn es schon viel zu spät war – so war es immer gewesen und so würde es immer sein. Lenir war ihm einfach überlegen.
Nach wenigen Minuten war Jaromir weit draußen über der Ostsee und wartete im Regen auf seinen Freund. Lenir war tatsächlich weit abgeschlagen und brauchte eine ganz Weile, um aufzuschließen.
Kaum angekommen, ging Lenir direkt zum Angriff über und deckte Jaromir mit einem mächtigen Stoß magischen Feuers ein. Der sah eine fußballgroße, blassblau flackernde Feuerkugel auf sich zurasen.
Früher hatten die Drachen noch mit echtem Feuer gekämpft, aber seit den Torkriegen war das viel zu auffällig und für solche Wettkämpfe benutzten die Himmelsechsen ohnehin eine besondere Form der Magie, welche zwar schmerzhaft war, aber ähnlich wie Fausthiebe nicht ernsthaft verwundete, solange der Gegner auf seine Deckung achtete.
Jaromir hatte eine solche Attacke erwartet und blockte sie mit einem Schutzschild ab. Die
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