Hannah und das kleine Reh (German Edition)
Hannah ist fröhlich. Heute darf sie das erste Mal alleine zum Spielen nach draußen gehen. Ruck Zuck hat sie ihre roten Sandalen angezogen und sich das Kleidchen gerade gezupft.
„Dass du ja nicht zu weit vom Haus weggehst“, mahnt die Mama. “Sonst verirrst du dich und wir finden dich nicht mehr wieder.“
Hannah stöhnt. „Verirren! Ich bin doch schon groß!“
Der Wind weht ihr durch die Haare. Es duftet nach warmem Gras und Lavendel.
Plötzlich, da! Ein großer, grüner Grashüpfer sitzt auf einer gelben Löwenzahnblüte. Er zirpt ein Lied, doch als er Hannah sieht, hüpft er ein Stück weiter.
Hannah läuft ihm nach.
„Störe mich nicht beim Musizieren“, beschwert er sich und hüpft erneut weg.
Links. Rechts. Links. Rechts.
Hannah gibt nicht auf und bleibt dicht hinter ihm.
„Was willst du denn von mir?“, fragt er verärgert, wobei er sich die großen Augen mit seinen Fühlern putzt.
„Auf welchem Instrument machst du so schöne Musik?“
„Kindchen, ich brauche kein Instrument, ich spiele auf meinen Flügeln.“ Schwups, hüpft er wieder fort.
Plötzlich, da! Hinter dem Haselnussstrauch weint jemand. Ein kleines Rehkitz steht dort. Große, dicke Tränen kullern ihm aus den Augen. „Warum weinst du denn?“
Hannah versucht es aufzumuntern und kitzelt es mit einem Gänseblümchen an der Nase. Hatschi! Jetzt lacht das kleine Reh wieder.
„Ich habe mich verlaufen. Ich kann meine Mama nicht mehr finden, sie macht sich sicher schon Sorgen.“
„Hm.“ Hannah denkt nach. „Ich helfe dir suchen.“
„Oh ja“, antwortet das kleine Reh und seine Augen leuchten vor Freude.
„Aus welcher Richtung bist du denn gekommen?“, fragt Hannah.
„Ich weiß nicht mehr. Ich lief einem großen Grashüpfer hinterher. Ich muss wieder in den Wald, doch ich kann ihn nicht sehen, weil das Gras so hoch ist.“
„Den Grashüpfer kenne ich! Aber wir werden deine Mama schon finden“, beruhigt Hannah das Rehkitz.
Sie sieht sich um. Am Ende des Kornfeldes kann sie die ersten Eichen am Waldesrand sehen. Zusammen laufen sie an den im Wind raschelnden Ähren vorbei.
Eine Amsel sitzt am Wegesrand.
„Wenn eure Mamas wüssten, wo ihr euch herumtreibt!“, trällert sie und fliegt davon. Hannah streckt der Amsel die Zunge raus.
„Hier ist der Wald kleines Reh. Findest du jetzt wieder alleine zurück?“
Plötzlich hören sie ein Rascheln und als sie aufsehen, erkennen sie ein großes Reh in einiger Entfernung. Es schaut streng zu ihnen herüber.
„Da ist ja meine Mama“, freut sich das Rehkitz. Als Dankeschön leckt es Hannah über die Wange.
Hannah schaut den Beiden hinterher, wie sie im Wald verschwinden, und freut sich, dass alles gut ausgegangen ist.
Ohje! Jetzt kann Hannah sich nicht mehr an den Weg zurück erinnern. Sie sieht nur Wald, Gras und Kornfelder.
Ein leises Zirpen dringt an ihr Ohr. Ob das der unfreundliche Grashüpfer ist? Sie läuft in die Richtung, aus der die Musik ertönt.
„Du aufdringliches Menschenkind. Willst du mich wieder beim Musizieren stören?“, fragt der Grashüpfer schlecht gelaunt.
„Ich habe mich verlaufen. Kannst du mir den Weg zurück zu meinem Zuhause zeigen?“
„Ich bin kein Kindermädchen für unerzogene Mädchen“, antwortet er, dreht sich weg und zirpt unbeeindruckt weiter.
„Ich werde dich beim Musizieren stören.“ Hannah fängt laut an zu singen und hüpft um ihn herum, bis dem Grashüpfer schwindelig wird. „Ist ja schon gut. Ich zeige dir den Weg.“
Mit großen Sprüngen hüpft der Grashüpfer einen Weg entlang und zwischen Butterblumen hindurch, die auf einer Wiese wachsen.
Hannah muss aufpassen, um den Grashüpfer nicht aus den Augen zu verlieren. Sie bemerkt gar nicht, dass sie schon wieder Zuhause ist.
„Hannah, wo kommst du denn her? Du sollst doch nicht so weit vom Haus weg gehen.“
„Der Grashüpfer war schuld. Aber jetzt hat er mich auch wieder zurückgebracht. Und außerdem musste ich noch einem Reh helfen, seine Mutter zu finden“, antwortet Hannah aufgeregt und gibt ihrer Mama einen dicken Kuss.
Weitere Kostenlose Bücher