0142 - Zombie-Rache
»Sonst noch was, Miß Meredith?« fragte Lionel Hughes. Er unterdrückte ein Gähnen.
»Wenn Sie sich noch den Brief an Mr. Ribber durchlesen möchten…«, sagte Lana Meredith, seine Sekretärin.
Rechtsanwalt Hughes schüttelte den Kopf. »Ist bei Ihnen doch nicht nötig. Sie machen keine Tipfehler, Sie lassen nichts aus, Sie bringen die diktierten Briefe stets in einer gefälligen Form zu Papier. Es wäre also reine Zeitverschwendung, wenn ich mir die Mühe machte, den Brief zu lesen. Geben Sie her. Ich unterschreibe ihn mit geschlossenen Augen.«
»Ihr Vertrauen ehrt mich, Sir«, sagte die Sekretärin und legte das Schreiben zur Unterschrift vor.
Lana Meredith war nicht mehr die Jüngste. Man konnte sie auch nicht als hübsch bezeichnen. Aber sie war eine tüchtige Kraft, auf die sich Lionel Hughes immer verlassen konnte, und darauf kam es ihm letztlich an.
Von einem bildschönen Püppchen, das mit der Rechtschreibung auf Kriegsfuß stand, hätte er wenig gehabt. Er brauchte eine Mitarbeiterin, die mitdachte, die so etwas wie sein Gewissen war, die ihn an wichtige Gerichtstermine erinnerte, vorzüglichen Kaffee kochen konnte und ihren Job mit einer Selbständigkeit ausübte, als würde die Anwaltskanzlei im Herzen von London ihr gehören.
Da sie ledig und ungebunden war, konnte Hughes sie auf alle Reisen mitnehmen. Es gab niemals Schwierigkeiten. Lana Meredith war stets auf Abruf bereit. Sie packte ihrem Chef sogar den Koffer, bevor es zur Bahn, zum Bus oder zum Flugplatz ging.
Eine Perle war sie, auf die Hughes nicht mehr verzichten konnte.
Er hatte sich so sehr an Lana Meredith gewöhnt, daß er manchmal das Gefühl hatte, mit ihr verheiratet zu sein, obwohl es zwischen ihnen noch nie zum Schlimmsten gekommen war.
Sie arbeiteten eng zusammen – und doch auf Distanz. Das klappte wohl deshalb nur so gut, weil sie einander vorzüglich ergänzten.
Hughes – ein Mittvierziger mit stechenden Augen und breiter Nase – setzte seine unleserliche Unterschrift aufs Papier.
»So«, sagte er danach und lehnte sich in seinem ledernen Schreibtischsessel zurück. »Und nun möchte ich, daß Sie nach Hause gehen.«
»Oh, das eilt nicht, Sir. Sie wissen, daß daheim keiner auf mich wartet«, sagte die Sekretärin und senkte verlegen den Blick.
»Es ist 20 Uhr. Ich fürchte, ich kann Ihnen die vielen Überstunden nicht bezahlen«, sagte Hughes mit einem matten Lächeln.
»Nun, wenn Sie mich wirklich nicht mehr brauchen, Sir…«
»Bestimmt nicht. Gehen Sie, und machen Sie sich noch einen netten Abend.«
»Ich bin nicht vergnügungssüchtig, Sir.«
»Ein exzellentes Abendessen…«
»Eine Frau, die allein ein Restaurant betritt, wird häufig schief angesehen.«
»Das ist doch Quatsch.«
»Leider hat sich im Zeitalter der weiblichen Emanzipation daran noch nichts geändert«, sagte Lana Meredith.
»Und wie wär’s mit einem Kinobesuch? Sie sollten sich Stanley Kubriks neuesten Film ansehen.«
»Damit ich danach nicht schlafen kann? Vielen Dank. Ich werde nach Hause gehen, mir ein Steak braten und fernsehen.«
»Ist auch eine Möglichkeit«, sagte Hughes. »Wir sehen uns morgen wieder.«
»Ja. Bis morgen, Sir. Gute Nacht, Sir. Ich würde an Ihrer Stelle auch nichts mehr tun.«
»Danke für den gutgemeinten Rat.«
»Werden Sie ihn beherzigen?«
»Mal sehen.«
Die Sekretärin verließ das Allerheiligste ihres Chefs. Sie versorgte ihre elektrische Schreibmaschine, machte auf dem Schreibtisch Ordnung, zog ihren warm gefütterten Kunstpelzmantel an und verließ die Anwaltskanzlei. Auf ihren Mantel war sie sehr stolz, denn sie liebte die Tiere, und für diesen Mantel hatte kein einziges sein Leben lassen müssen.
Als sie aus dem Haus trat, zog sie den großen Kragen hoch. Ihr Kopf verschwand darin beinahe.
Es war ein kalter Dezemberabend, und es roch nach Schnee.
Lana Meredith hatte plötzlich ein seltsames Gefühl zwischen den Schulterblättern. Es rieselte ihr eiskalt über die Wirbelsäule, ohne daß es einen Grund dafür gab. Jedenfalls konnte die Sekretärin keinen erkennen.
Eigenartig.
Sie fühlte sich angestarrt.
Ihr war, als wäre ihr Leben bedroht.
Als befände sich großes Unheil ganz in ihrer Nähe!
Sie schaute sich beunruhigt um. Rechts ging es zum Hinterhof.
Die Durchfahrt war so dunkel, daß man die Hand kaum vor den Augen sehen konnte. Finsternis machte Lana Meredith seit frühester Kindheit Angst. Sie wußte nicht, wovor sie sich fürchtete, wenn es dunkel war. Oft hatte sie sich
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