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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ganze Schar der Jungen Hunde eingefunden.
    Fast eine Stunde lagen die Jungen im Gras und hielten gespannt Ausschau, ohne daß sich das geringste ereignete. Aber dann fingen alle Nerven an zu vibrieren, denn aus der Ferne drang ein mächtiges Dröhnen durch den Boden! Die Jungen legten das Ohr an die Erde, sie fieberten, ihre Augen glänzten. Wieviel Büffel mußten das sein, Büffel, Büffel! Viele hundert Büffel! Und schon schwoll das Dröhnen an, und die Knaben erblickten im Süden die Staubwolke über der dahinstürmenden Herde und obgleich es unmöglich war, bildeten sie sich ein, schon das Geschrei der Jäger, den wilden, dumpfen Büffeljagdruf, ähnlich dem gewaltigen Brüllen der Stiere, zu hören. Harka wurde sich seiner Verantwortung als Anführer der Jungen Hunde bewußt. »Weg!« schrie er. »Weg! Sie kommen hierher, sie zertrampeln uns und die Zelte! Zu den Pferden, auf die Pferde!«
    Die Jungen gehorchten. Alle zusammen rannten die An höhe hinab, zum Wäldchen hinüber, zur Pferdeherde.
    Während sie auf ihre Pferde sprangen, sahen sie schon, was sich bei den Zelten zutrug. In rasender Eile brachen die Frauen, Mädchen, Kinder und Alten die Zelte ab; im Gegensatz zu den üblichen Gewohnheiten überließ man die Arbeit nicht den Frauen allein, sondern es half alles, was überhaupt die Hände rühren konnte. Die Planen, die Stangen, die Trophäen, Schüsseln und Töpfe, die kleinsten Kinder, die noch nicht laufen konnten, wurden westwärts über den Bach geschleppt, zum Teil auf den Armen oder auf dem Rücken, zum Teil auf den Lastpferden.
    »Nehmt die Mustangs mit!« rief Untschida Harka und den anderen Jungen Hunden befehlend zu. Die Knaben folgten der Anweisung sofort. Sie nahmen sich nicht die Zeit, die Fußfesseln der Pferde zu lösen, sondern zogen die Messer und zerschnitten die Riemen, die den Tieren nur kleine Schritte erlaubten. Dann sprangen die Jungen auf. Harka wählte zum Reiten nicht seinen eigenen Schecken, sondern das zweitbeste Büffelpferd des Vaters, das zurückgeblieben war. Jeder der Jungen nahm drei bis vier ledige Pferde am Zügel, und dann ging der Ritt mit den aufgeregten und widerstrebenden Tieren über den Bach hinüber. Der Wind wehte, die Pferdemähnen flatterten, das Wasser spritzte um die bockenden Mustangs, und immer näher kam die große Staubwolke und das dumpfe ungeheure Donnern. Die Frauen und Alten machten mit Hab und Gut und Kindern nirgends halt, sondern zogen in größter Hast immer weiter westwärts, um der drohenden Gefahr, von den Büffeln überrannt zu werden, zu entgehen. Die Jungen Hunde machten den Beschluß, gleichsam als Nachhut. Als letzter von allen ritt Harka Nachtauge Steinhart Wolfstöter. Er hatte sich überlegt, was er tun wollte, wenn die Büffel die Frauen und Kinder in Gefahr brachten: Für diesen Fall war er entschlossen zu wenden, mit dem gemeinsamen Geschrei der Jungen Hunde die vor den Jägern fliehenden Büffel abzuschrecken und in eine andere Richtung zu drängen. Ob das aber gelingen würde, war eine andere Frage. Die Jungen Hunde waren für alle Fälle verständigt und auch bereit, mit ihrem Anführer zusammen das Äußerste zu wagen.
    Die Büffel brausten heran. Harka und seine Gefährten konnten nicht ein einziges Tier richtig wahrnehmen, nur die Staubwolken und an ihrer Spitze undeutlich dunkle, in wildem Lauf wippende Körper. Die Jagdrufe drangen herüber; die kühnen Jäger mußten mitten zwischen den Büffeln sein! Das Büffelpferd, das Harka ritt, war gewohnt, auf den Büffeljagdruf hin die äußerste Schnelligkeit zu entwickeln. Es war kaum zu halten. Harka nahm den Zügel nicht in die Hand, da er rechts und links je zwei ledige Pferde führte. Das halbwilde Tier unter ihm bockte und stieg. Der Junge war ein sehr guter Reiter und nicht so leicht abzuwerfen. Er klammerte sich mit den Schenkeln an und blieb auf dem Pferderücken. Aber seine Kraft reichte nicht ganz dazu aus, das Tier zurückzuhalten, vielleicht war es ihm auch nicht ernst genug damit. Und plötzlich, als die Herde im aufwallenden Staub in das Gehölz einbrach und über den nördlichen Teil des Bachbogens hinwegraste, als die Stämmchen knickten wie elende Holzsplitter, als der Knabe die schwarzbraunwolligen Rücken im Staubmeer auftauchen und verschwinden sah und ihm ein mächtiges hörnerbewehrtes zottiges Büffelhaupt wie ein Spuk erschien – da ließen seine Hände die vier ledigen Tiere los, und mit verhängtem Zügel, aus Leibeskräften brüllend überließ

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