Harka der Sohn des Haeuptlings
der Biegung des Flusses, an der sich ihm ein unerwartetes Bild bot. Am jenseitigen Ufer warteten drei Tiere, darunter ein junger Antilopenbock. Wie stolz trug er die spitzen Hörner, wie scharf lugten die Augen, wie glatt lag das Fell, wie sehnig waren die schlanken Beine. Das ganze Tier war ein Bild der Kraft und Leichtigkeit. Schön war es! Das konnte das neue Leittier der verwaisten Herde werden.
Am diesseitigen Ufer aber erkannte Harka den Anlaß dafür, daß die drei Tiere jenseits des Baches noch warteten: Eine Antilope stand zitternd bei ihrem Jungen, das sich nicht durch den Fluß wagte. Das Wasser war hier tief und floß schnell. Harka hatte den Pfeil angelegt, aber auch er wartete und schoß noch nicht.
Da mußte irgend etwas die Tiere am jenseitigen Ufer aufstören. Der junge Bock witterte, und schon war er auch mit einem einzigen großen Satz zwischen den Uferhöhen verschwunden; die beiden anderen Tiere folgten ihm. Allein das Muttertier mit dem Jungen blieb am diesseitigen Ufer zurück. Voll Angst lockte die Mutter das zögernde Junge wieder und wieder. Sie leckte es, sie stieß es, bis es mit seinen langen Beinen unmittelbar am Wasser stand. Aber es wagte sich noch immer nicht hinein. Hier war es leicht, Beute zu machen! Aber Harka schoß noch immer nicht. Eine alte Geschichte war ihm in den Sinn gekommen, er wußte nicht wie. Untschida hatte sie ihm und den Geschwistern einmal des Abends am Zeltfeuer erzählt. Es war die Geschichte des Steinknaben, dessen Fleisch hart wie Stein und der darum unverletzlich war. Sein Pfeil traf, was er wollte, und eines Tages fand er auf einer Waldwiese eine Antilopenmutter mit ihrem Jungen und tötete sie … er tötete alles, was sein Pfeil erreichte … endlich aber wurde er ganz zu Stein und versank in Sumpf und Wasser … zur Strafe für den tausendfachen Tiermord, zu dem er seine Kraft mißbraucht hatte.
Harka schoß noch immer nicht. Verzweifelt lockte die Antilopenmutter ihr Junges. Weiter oben am Fluß erscholl das große allgemeine Jubelgeschrei über die reiche Jagdbeute.
Der Knabe steckte den Pfeil wieder in den Köcher, den er an einer über die Schulter laufenden Lederschnur trug. Er stand auf, und während die Antilopenmutter bei ihrem Jungen am Ufer ausharrte, ging er langsam auf die beiden Tiere zu. Da geschah, was er beabsichtigt hatte. Das Junge wurde von der Todesangst vor dem fremden Lebewesen überfallen, und es folgte endlich dem Locken und Drängen der Mutter und wagte sich ins Wasser.
Mit erheblichem Abtrieb schwammen die beiden Tiere durch den Fluß und stiegen unversehrt ans jenseitige Ufer. Schnell wie der Wind verschwanden sie dann zwischen den Bodenwellen in der Richtung, in der der junge Bock mit seinen Begleitern schon zuvor enteilt war.
Harka schaute noch einige Zeit über das Wasser, dann machte er langsam kehrt und wanderte flußaufwärts zurück zu seiner Schar.
Nun konnte er doch nicht berichten, daß er ganz allein eine Antilope erlegt habe. Er konnte kein Antilopenfell zum Gerben geben und sich nicht als Jäger von den Alten loben und von den Jungen Hunden bewundern lassen. Was er hätte berichten können, wollte er lieber verschweigen. Er selbst hatte seine Mutter verloren durch das Mazzawaken in der Hand eines Pani. Aber er hatte das Junge einer Antilope gerettet und ihm die Mutter nicht weggeschossen. Er hatte nicht gehandelt wie der Steinknabe, der seine Kraft mißbrauchte. Die Bärenbande hatte genug Beute gemacht.
Harka war glücklich in Gedanken an das Erlebnis, das er allem für sich besaß.
Mit ungetrübter Wonne hörte er das sich wiederholende Jubelgeschrei der Jäger und sah das lebendige Treiben der Männer, Frauen und Kinder. Die Frauen hielten die Lastpferde bereit, denen die Rutschen noch anhingen, um die Beute einzuholen; die Mädchen packten ihren Pferden Lederdecken und Schnüre aus Büffeldärmen auf, um an Ort und Stelle das Fleisch in Pakete zu verschnüren. Die Hunde waren in heller Aufregung, denn sie kannten alle diese Vorbereitungen und wußten, daß sie bald vom Abfall satt werden konnten.
Harka gesellte sich zu seinem Vater, der ihm das nicht verwehrte, und ritt mit der kleinen Gruppe von Kriegern und Burschen, die Mattotaupa anführte, das weite Jagdgebiet ab. Bei jedem Tier wurde haltgemacht und an Hand des Pfeils oder der Pfeile, die in dem Tierkörper steckten, festgestellt, wer es erlegt hatte. Die Krieger führten durch Farbe und Schnitt der Federn, durch die Bemalung des Schaftes
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