Harka der Sohn des Haeuptlings
Donner heftiger, und Blitze fuhren herab; ihr Licht drang mit seinem grellen, zuckenden Aufleuchten durch die Zeltschlitze. Noch regnete es nicht.
Die Jungen fingen nicht gleich an zu sprechen. Sie hatten zusammengefunden, aber nach den Ereignissen dieses Tages mußte jeder einzelne erst seine Gedanken sammeln, ehe man sich gemeinsam aussprechen konnte. Es war vieles anders geworden, seit die Sonne aufgegangen und wieder untergegangen war.
Die Gäste im Dorf hatten gewechselt. Der freundliche Maler und der stille Langspeer waren gegangen, gekommen waren der ehrfurchtgebietende Tatankayotanka und The Red, dem man gehorchte wie einem Häuptling, obgleich er es nicht war. Schüsse hatten gekracht. Ein Knabe besaß ein Mazzawaken. Im Tipi des Häuptlings lag das Fell des großen grauen Bären. Dieser Schrecken des Dorfes war tot. Man konnte sich freuen, aber mitten in der Freude hatte sich auch schon eine neue Unruhe gebildet, die jeder empfand, aber keiner empfinden wollte. Vielleicht entstand Gutes, vielleicht entstand Böses daraus. Daran wollte niemand denken. Die Freude über den großen Jagdsieg lag wie eine schöne Decke über allen den schweren Fragen, die Weitfliegender Vogel und Langspeer ausgesprochen hatten.
Harka schaute in die Flämmchen, die an den Zweigen leckten, bis diese Stück um Stück in Asche zerfielen.
Tschetan weckte ihn aus seinem Nachdenken. »Erzähle uns von der Bärenjagd, Harka Büffelpfeilversender Bärenjäger!«
Die Augen aller Jungen in der Runde leuchteten auf.
Harka selbst fiel es zu seinem eigenen Verwundern etwas schwer, das große Erlebnis noch einmal zu schildern. Aber als er damit begonnen hatte, wurde das Wiedererleben in ihm selbst doch so stark, daß er den großen Grauen noch einmal zu sehen und sein heiseres, bösartiges Gebrumm noch einmal zu hören glaubte. Wieder schaute er den Vater vor sich, dessen Arme sich um den Hals des furchtbaren Raubtiers schlangen, dem Schweiß und Blut ausbrachen, dessen Adern und Muskeln schwollen! Wieder glaubte Harka mit der Steinkeule nach der furchtbaren Pranke des Bären zu schlagen. Seine Erzählung wurde so lebendig, daß seine Gefährten am Feuer die Jagd mitzuerleben glaubten mit aller Erregung, allem Triumph. Als Harka geendet hatte, riefen die Freunde:
»Bärenjäger! Bärenjäger!« und sie freuten sich miteinander.
Dann unterhielten sie sich weiter in der gleichen Weise wie die Männer im Häuptlingszelt von Jagderlebnissen, von den neuen und erstaunlichen Feuerwaffen, von den Schießübungen, die am kommenden Morgen stattfinden sollten, und Harka versprach Tschetan und Kraushaar, daß sie mit ihm erlernen durften, wie man ein Mazzawaken handhabte. Auch Harpstennah sollte, wenn er zwei Sommer älter war, ein Mazzawakenschütze werden. Die Jungen waren gemeinsam begeistert und spannen Pläne, wieviel leichter sie künftig Bären und Büffel jagen und die Pani besiegen würden.
Sie befanden sich noch mitten im Gespräch, als Schonka eintrat. Er ließ sich bei den Jungen nieder. Dawider konnte niemand etwas einwenden. Er wohnte im Zelt Mattotaupas und gehörte zu den Geschwistern Harkas. Aber seine Gegenwart störte, und das Gespräch stockte, um dann auf eine gleichgültige Weise weitergeführt zu werden. Daran war nicht einmal so sehr die Tatsache schuld, daß es Schonka war, der jetzt mit im Kreis saß. Seine merkwürdige Miene störte, diese etwas überlegene, etwas herablassende Miene, mit der er sich selbst aus dem allgemeinen fröhlichen Einverständnis ausschloß. Er wollte wohl ganz bewußt den Eindruck hervorrufen, daß er etwas viel Wichtigeres zu sagen hatte, als die anderen zu sagen wußten.
»Was schluckst du denn immerzu hinunter?« bemerkte Tschetan schließlich zu ihm. »Spei es doch aus!«
»Ich spucke nicht in deinem Zelt.«
»Soviel hast du also doch schon gelernt.« Tschetan hatte nicht die Absicht gehabt, Schonka zu reizen. Er hatte ihm eher auf eine etwas burschikose Art die Zunge lösen wollen. Aber durch die Antwort Schonkas fühlte er sich selbst gereizt, und sein Ton klang angriffslustig.
»Vielleicht müssen andere auch noch einiges lernen«, erwiderte Schonka weniger spöttisch als selbstsicher.
»Ein Fehler ist nur, wenn einer nicht mehr lernen will.«
»… oder kann.«
»So alt ist in unserem Kreis keiner.«
»Wer hat dir gesagt, daß ich von uns hier spreche?«
»Niemand. Aber du kannst mir sagen, von wem du sprichst.«
»Wenn ich will.«
»Ob du willst oder nicht, das ist mir
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