Harry Potter - Gesamtausgabe
mich daran hindert, den Horkrux wegzunehmen. Er könnte mich lähmen, mich vergessen machen, wozu ich eigentlich hier bin, mir so viel Schmerzen bereiten, dass ich abgelenkt werde, oder mich auf irgendeine andere Weise handlungsunfähig machen. Sollte dies der Fall sein, Harry, ist es deine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ich weitertrinke, selbst wenn du den Trank in meinen aufbegehrenden Mund leeren musst. Hast du verstanden?«
Ihre Blicke trafen sich über dem Becken; beide blassen Gesichter waren von jenem seltsamen grünen Licht erhellt. Harry sagte nichts. War das der Grund, weshalb er hatte mitkommen dürfen – damit er Dumbledore mit Gewalt einen Zaubertrank einflößen konnte, der ihm vielleicht unerträgliche Schmerzen bereitete?
»Du erinnerst dich«, sagte Dumbledore, »an die Bedingung, unter der ich dich mitgenommen habe?«
Harry zögerte und blickte in die blauen Augen, die das Licht des Beckens grün widerspiegelten.
»Aber was, wenn –?«
»Du hast geschworen, jeden Befehl zu befolgen, den ich dir erteilen würde, richtig?«
»Ja, aber –«
»Ich habe dich gewarnt, dass es gefährlich werden könnte, richtig?«
»Ja«, sagte Harry, »aber –«
»Nun, dann«, sagte Dumbledore, schüttelte erneut seine Ärmel zurück und hob den leeren Kelch, »ist dies mein Befehl.«
»Warum kann nicht ich an Ihrer Stelle den Zaubertrank trinken?«, fragte Harry verzweifelt.
»Weil ich viel älter, viel klüger und viel weniger wert bin«, sagte Dumbledore. »Ein für alle Mal, Harry, habe ich dein Wort, dass du alles in deiner Macht Stehende tun wirst, damit ich weitertrinke?«
»Könnte nicht –?«
»Habe ich es?«
»Aber –«
»Dein Wort, Harry.«
»Ich – also gut, aber –«
Ehe Harry weiter protestieren konnte, ließ Dumbledore den Kristallkelch in das Becken sinken. Für den Bruchteil einer Sekunde hoffte Harry, dass Dumbledore nicht in der Lage wäre, den Zaubertrank mit dem Kelch zu berühren, doch das Kristall tauchte in die Oberfläche, wie nichts sonst es getan hatte; als das Glas randvoll war, hob Dumbledore es an den Mund.
»Auf dein Wohl, Harry.«
Und er leerte den Kelch. Harry sah entsetzt zu, die Hände so fest an den Beckenrand geklammert, dass seine Fingerspitzen taub waren.
»Professor?«, sagte er beklommen, als Dumbledore das leere Glas sinken ließ. »Wie geht es Ihnen?«
Dumbledore schüttelte mit geschlossenen Augen den Kopf. Harry fragte sich, ob er Schmerzen hatte. Blindlings tauchte Dumbledore das Glas wieder ins Becken, füllte es auf und trank noch einmal.
Stumm leerte er drei Kelche mit dem Zaubertrank. Dann, mitten im vierten Kelch, geriet er ins Wanken und stürzte vornüber gegen das Becken. Seine Augen waren noch immer geschlossen und er atmete schwer.
»Professor Dumbledore?«, sagte Harry mit angespannter Stimme. »Können Sie mich hören?«
Dumbledore antwortete nicht. Sein Gesicht zuckte, als würde er tief schlafen, aber einen furchtbaren Traum träumen. Sein Griff um den Kelch lockerte sich; gleich würde der Zaubertrank verschüttet werden. Harry streckte die Hand aus, packte den Kristallkelch und hielt ihn fest.
»Professor, können Sie mich hören?«, wiederholte er laut und seine Stimme hallte durch die Höhle.
Dumbledore keuchte und sprach dann mit einer Stimme, die Harry nicht erkannte, denn er hatte Dumbledore noch nie so angsterfüllt sprechen hören.
»Ich will nicht … zwing mich nicht …«
Harry starrte in das erbleichte Gesicht, das er so gut kannte, auf die Hakennase und die Halbmondbrille, und wusste nicht, was er tun sollte.
»… möchte nicht … will aufhören …«, stöhnte Dumbledore.
»Sie … Sie können nicht aufhören, Professor«, sagte Harry. »Sie müssen weitertrinken, erinnern Sie sich? Sie haben mir gesagt, dass Sie weitertrinken müssen. Hier …«
Er hasste sich, und es widerte ihn an, was er tat, aber Harry führte den Kelch an Dumbledores Mund zurück und neigte ihn, so dass Dumbledore den restlichen Zaubertrank darin schluckte.
»Nein …«, stöhnte er, als Harry den Kelch wieder in das Becken tauchte und für ihn füllte. »Ich will nicht … ich will nicht … lass mich los …«
»Es ist schon gut, Professor«, sagte Harry und seine Hand zitterte. »Es ist schon gut, ich bin da –«
»Lass es aufhören, lass es aufhören«, stöhnte Dumbledore.
»Ja … ja, das hier noch, dann hört es auf«, log Harry. Er kippte den Inhalt des Kelches in Dumbledores offenen Mund.
Dumbledore schrie; der Schrei
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