Harry Potter und der Halbblutprinz
nicht wahr?«
»Diese letzten Wochen mit dir … das war wie … wie ein Stück aus dem Leben eines anderen«, sagte Harry. »Aber ich kann nicht … wir können nicht … ich muss jetzt einige Dinge allein erledigen.«
Sie weinte nicht, sie sah ihn nur an.
»Voldemort benutzt Leute, die seinen Feinden nahestehen. Er hat dich schon einmal als Köder benutzt, und das nur, weil du die Schwester meines besten Freundes bist. Überleg mal, in welche Gefahr du geraten wirst, wenn wir zusammenbleiben. Er wird es erfahren, er wird es herausfinden. Er wird versuchen, durch dich an mich heranzukommen.«
»Und was, wenn es mir egal ist?«, sagte Ginny grimmig.
»Mir ist es nicht egal«, entgegnete Harry. »Was glaubst du, wie es mir gehen würde, wenn das dein Begräbnis wäre … und wenn es meine Schuld gewesen wäre …«
Sie wandte sich von ihm ab und blickte über den See.
»Ich hab dich nie wirklich aufgegeben«, sagte sie. »Nie. Ich habe immer gehofft … Hermine hat gesagt, ich soll einfach weiterleben, mich vielleicht mal mit anderen Leuten verabreden, etwas lockerer sein, wenn du in der Nähe bist, weil ich nie ein Wort rausbrachte, wenn du im selben Raum warst, weißt du noch? Und sie meinte, du würdest ein wenig mehr Notiz von mir nehmen, wenn ich ein bisschen mehr – ich selbst bin.«
»Kluges Mädchen, diese Hermine«, sagte Harry und versuchte zu lächeln. »Ich wünschte nur, ich hätte dich früher gefragt. Wir hätten Ewigkeiten gehabt … Monate … vielleicht Jahre …«
»Aber du warst zu sehr damit beschäftigt, die magische Welt zu retten«, sagte Ginny halb lachend. »Also … ich kann nicht behaupten, dass ich überrascht bin. Ich wusste, dass es irgendwann passieren würde. Ich wusste, du würdest nicht glücklich sein, wenn du Voldemort nicht jagst. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich dich so sehr mag.«
Harry konnte es nicht ertragen, diese Dinge zu hören, und er glaubte nicht, dass sein Entschluss standhalten würde, wenn er noch länger neben ihr sitzen bliebe. Er sah, dass Ron jetzt Hermine im Arm hielt und ihr übers Haar strich, während sie an seiner Schulter schluchzte, und Ron tropften Tränen von der Spitze seiner langen Nase. Mit einer traurigen Geste stand Harry auf, wandte Ginny und Dumbledores Grabmal den Rücken zu und ging um den See herum davon. Sich zu bewegen kam ihm viel erträglicher vor, als ruhig dazusitzen: Wie er sich auch viel besser fühlen würde, wenn er baldmöglichst aufbrach, um die Horkruxe aufzuspüren und Voldemort zu töten, statt nur darauf zu warten, es zu tun …
»Harry!«
Er drehte sich um. Rufus Scrimgeour hinkte, auf seinen Gehstock gestützt, das Ufer entlang rasch auf ihn zu.
»Ich hatte gehofft, dass wir ein Wort miteinander reden können … Gestatten Sie, dass ich Sie ein kleines Stück begleite?«
»Ja«, sagte Harry gleichgültig und ging weiter.
»Harry, das war eine schreckliche Tragödie«, sagte Scrimgeour leise, »ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie entsetzt ich war, als ich davon hörte. Dumbledore war ein sehr großer Zauberer. Wir hatten unsere Meinungsverschiedenheiten, wie Sie wissen, aber niemand weiß besser als ich –«
»Was wollen Sie?«, fragte Harry tonlos.
Scrimgeour sah verärgert aus, doch wie schon zuvor änderte er hastig seinen Gesichtsausdruck und machte nun eine bekümmerte, verständnisvolle Miene.
»Sie sind natürlich tief erschüttert«, sagte er. »Ich weiß, dass Sie Dumbledore sehr nahestanden. Ich schätze, Sie waren sein Lieblingsschüler überhaupt. Das Band zwischen Ihnen beiden –«
»Was wollen Sie?«, wiederholte Harry und blieb stehen.
Auch Scrimgeour hielt auf seinen Stock gestützt inne und musterte Harry nun mit gewiefter Miene.
»Man sagt, dass Sie bei ihm waren, als er die Schule in der Nacht seines Todes verließ.«
»Wer sagt das?«
»Jemand hat einen Todesser auf dem Turm mit einem Schockzauber belegt, nachdem Dumbledore gestorben war. Außerdem waren zwei Besen dort oben. Das Ministerium kann eins und eins zusammenzählen, Harry.«
»Freut mich zu hören«, sagte Harry. »Nun, wo ich mit Dumbledore hingegangen bin und was wir gemacht haben, ist meine Angelegenheit. Er wollte nicht, dass es irgendjemand erfährt.«
»Solche Treue ist natürlich bewundernswert«, sagte Scrimgeour, der seinen Ärger nur mühsam zu zügeln schien, »aber Dumbledore ist nicht mehr, Harry. Er ist nicht mehr.«
»Er wird nur dann nicht mehr in der Schule sein, wenn ihm hier keiner mehr treu
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