Harry Potter und der Stein der Weisen
es fürchterlich aus; es stank durchdringend nach Seetang, der Wind pfiff durch die Ritzen der Holzwände und die Feuerstelle war nass und leer. Es gab nur zwei Räume.
Onkel Vernons Rationen stellten sich als eine Packung Kräcker für jeden und vier Bananen heraus. Er versuchte ein Feuer zu machen, doch die leeren Kräcker-Schachteln gaben nur Rauch von sich und schrumpelten zusammen.
»Jetzt könnte ich ausnahmsweise mal einen dieser Briefe gebrauchen, Leute«, sagte er fröhlich.
Er war bester Laune. Offenbar glaubte er, niemand hätte eine Chance, sie hier im Sturm zu erreichen und die Post zuzustellen. Harry dachte im Stillen das Gleiche, doch der Gedanke munterte ihn überhaupt nicht auf.
Als die Nacht hereinbrach, kam der versprochene Sturm um sie herum mächtig in Fahrt. Gischt von den hohen Wellen spritzte gegen die Wände der Hütte und ein zorniger Wind rüttelte an den schmutzigen Fenstern. Tante Petunia fand ein paar nach Aal riechende Leintücher und machte Dudley auf dem mottenzerfressenen Sofa ein Bett zurecht. Sie und Onkel Vernon gingen ins zerlumpte Bett nebenan, und Harry musste sich das weichste Stück Fußboden suchen und sich unter der dünnsten, zerrissensten Decke zusammenkauern.
Die Nacht rückte vor und immer wütender blies der Sturm. Harry konnte nicht schlafen. Er bibberte und wälzte sich hin und her, um es sich bequemer zu machen, und sein Magen röhrte vor Hunger. Dudleys Schnarchen ging im rollenden Donnern unter, das um Mitternacht anhob. Der Leuchtzeiger von Dudleys Uhr, die an seinem dicken Handgelenk vom Sofarand herunterbaumelte, sagte Harry, dass er in zehn Minuten elf Jahre alt sein würde. Er lag da und sah zu, wie sein Geburtstag tickend näher rückte. Ob die Dursleys überhaupt an ihn denken würden?, fragte er sich. Wo der Briefeschreiber jetzt wohl war?
Noch fünf Minuten. Harry hörte draußen etwas knacken. Hoffentlich kam das Dach nicht herunter, auch wenn ihm dann vielleicht wärmer sein würde. Noch vier Minuten. Vielleicht war das Haus am Ligusterweg, wenn sie zurückkamen, so vollgestopft mit Briefen, dass er auf die eine oder andere Weise einen davon stibitzen konnte.
Noch drei Minuten. War es das Meer, das so hart gegen die Felsen schlug? Und (noch zwei Minuten) was war das für ein komisches, malmendes Geräusch? Zerbrach der Fels und stürzte ins Meer?
Noch eine Minute und er war elf. Dreißig Sekunden … zwanzig … zehn … neun – vielleicht sollte er Dudley aufwecken, einfach um ihn zu ärgern – drei … zwei … eine –
BUMM .
Die ganze Hütte erzitterte. Mit einem Mal saß Harry kerzengerade da und starrte auf die Tür. Da draußen war jemand und klopfte.
Der Hüter der Schlüssel
BUMM . Wieder klopfte es. Dudley schreckte aus dem Schlaf.
»Wo ist die Kanone?«, sagte er dumpf.
Hinter ihnen hörten sie ein lautes Krachen. Onkel Vernon kam hereingestolpert. In den Händen hielt er ein Gewehr – das war also in dem langen, schmalen Paket gewesen, das er mitgebracht hatte.
»Wer da?«, rief er. »Ich warne Sie – ich bin bewaffnet!«
Einen Augenblick lang war alles still. Dann –
SPLITTER !
Die Tür wurde mit solcher Wucht getroffen, dass sie glattweg aus den Angeln sprang und mit einem ohrenbetäubenden Knall auf dem Boden landete.
In der Türöffnung stand ein Riese von Mann. Sein Gesicht war fast gänzlich von einer langen, zottigen Haarmähne und einem wilden, struppigen Bart verdeckt, doch man konnte seine Augen erkennen, die unter all dem Haar schimmerten wie schwarze Käfer.
Dieser Riese zwängte sich in die Hütte, den Rücken gebeugt, so dass sein Kopf die Decke nur streifte. Er bückte sich, stellte die Tür aufrecht und setzte sie mit leichter Hand wieder in den Rahmen ein. Der Lärm des Sturms draußen ließ etwas nach. Er wandte sich um und blickte sie an.
»Könnte ’ne Tasse Tee vertragen. War keine leichte Reise …«
Er schritt hinüber zum Sofa, auf dem der vor Angst versteinerte Dudley saß.
»Beweg dich, Klops«, sagte der Fremde.
Dudley quiekte und rannte hinter den Rücken seiner Mutter, die sich voller Angst hinter Onkel Vernon zusammenkauerte.
»Und hier ist Harry!«, sagte der Riese.
Harry blickte hinauf in sein grimmiges, wildes Gesicht und sah, dass sich die Fältchen um seine Käferaugen zu einem Lächeln gekräuselt hatten.
»Letztes Mal, als ich dich gesehen hab, warst du noch ’n Baby«, sagte der Riese. »Du siehst deinem Vater mächtig ähnlich, aber die Augen hast du von deiner
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