Hasturs Erbe
mich. Immerhin bist du alt genug, um zu reiten. Hast du noch das kleine Pony, auf dem du immer in Armida geritten bist?«
Marius antwortete höflich. »Ja, aber es ist auf der Weide. Es ist alt und lahm, zu alt für eine solche Reise.«
Kennard sah verärgert aus. Das war Diplomatie! Sein Großvater wäre stolz auf ihn gewesen, dachte Regis, selbst wenn er selbst nicht stolz auf diese Doppelzüngigkeit war. Glücklicherweise war Marius zu jung, um zu erkennen, daß man ihn gedemütigt hatte. Regis dachte, wie lächerlich es doch sei, daß sich Jungen gleichen Alters so förmlich anredeten. Lew und er waren gute Freunde gewesen. In den Jahren auf Armida, bevor Regis in das Kloster übersiedelte, hatten sie sich so nahe wie Brüder gestanden. Und nun nannte Lew ihn Lord Regis! Es war albern!
Kennard blickte zum Himmel. »Sollen wir weiterreiten? Die Sonne wird bald untergehen, und es wird sicher regnen. Es wäre ärgerlich, wenn wir anhalten und die Banner verstauen müßten. Und Euer Großvater wartet sicher auf Euch, Regis.«
»Meinem Großvater wurde meine Gegenwart drei Jahre lang erspart«, sagte Regis trocken. »Ich bin sicher, er hält es noch eine weitere Stunde aus. Doch es wäre schon besser, wenn wir nicht in die Dunkelheit kämen.«
Das Protokoll besagte, daß Regis neben Kennard und Lord Dyan reiten müsse, doch er blieb zurück und lenkte sein Pferd neben Lew Alton. Marius ritt neben einem Jungen von Regis Alter, der so vertraut aussah, daß Regis die Stirn runzelte und überlegte, woher er ihn kannte.
Während sich die Truppe formierte, schickte Regis seinen Bannerträger an die Spitze der Kolonne zu denen von Ardais und Alton. Er sah, wie der Mann mit dem blausilbernen Baumemblem der Hasturs und dem Motto der Kaste Permanedál nach vorn ritt. Ich werde bleiben , übersetzte er es sich verdrossen, ja, ich werde alle Zeit hierbleiben und ein Hastur sein, ob ich will oder nicht.
Dann ergriff ihn wieder Aufsässigkeit. Kennard war nicht geblieben. Er war auf Terra selber groß geworden, nach dem Willen des Rates. Vielleicht gab es auch für Regis Hoffnung, ob er nun ein Hastur war oder nicht.
Er fühlte sich merkwürdig einsam. Kennards Manöver, daß Regis seine Söhne ordentlich begrüßte, hatte ihn verärgert, doch auch berührt. Er fragte sich, ob er ebenso einsam wäre, wenn sein Vater noch lebte. Hätte auch er Pläne verfolgt und Intrigen veranstaltet, damit sich sein Sohn nicht so unterlegen gefühlt hätte?
Lews Miene war grimmig, abgekehrt und verschlossen. Regis konnte nicht sagen, ob er sich gedemütigt, schlecht behandelt oder einfach einsam fühlte, weil er anders war.
Lew sagte: »Kommt Ihr, Euren Sitz im Rat einzunehmen, Lord Regis?«
Die Förmlichkeit irritierte Regis. War es eine Zurechtweisung als Gegenleistung für die, die er Marius erteilt hatte? Plötzlich wurde er es überdrüssig. »Du hast mich sonst Vetter genannt, Lew. Sind wir nun zu alt, um Freunde zu sein?«
Ein rasches Lächeln überzog Lews Gesicht. Ohne den verschlossenen, mürrischen Ausdruck sah er gut aus. »Natürlich nicht, Vetter. Doch man hat mir bei den Kadetten und überall eingebläut, daß du Regis-Rafael Lord Hastur bist, und ich bin … nun, ich bin ein Nedestro -Erbe der Altons. Sie haben mich nur akzeptiert, weil mein Vater keine richtigen Darkover-Söhne hat. Ich dachte mir, daß es an dir liegt, ob du auf der Verwandtschaft bestehst oder nicht.«
Regis Mund verzog sich zu einer Grimasse. Er zuckte die Achseln. »Nun, vielleicht müssen sie auch mich akzeptieren, doch ich könnte genauso gut ein Bastard sein. Ich habe kein Laran geerbt.«
Lew sah schockiert aus. »Aber sicher hast du … ich war sicher …« Er brach ab. »Wie dem auch sei, du wirst im Rat einen Sitz haben, Vetter. Es gibt keinen anderen Hastur-Erben.«
»Das ist mir nur zu sehr bewußt. Seit dem Tag meiner Geburt habe ich nichts anderes gehört«, sagte Regis. »Allerdings hat Javanne Gabriel Lanart geheiratet und bekommt Söhne wie die Kaninchen. Einer von denen könnte mich eines Tages verdrängen.«
»Immerhin bist du in der direkten Abstammungslinie. Die Gabe des Larans überspringt von Zeit zu Zeit eine Generation. Alle deine Söhne können es erben.«
Regis sagte mit plötzlicher Bitterkeit: »Glaubst du, das nützt – zu wissen, daß ich für mich genommen wertlos bin – wertvoll allein wegen der Söhne, die ich zeugen werde?«
Ein dünner Nieselregen setzte ein. Lew zog die Kapuze über die Schultern, und auf
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