Hauch der Verfuehrung
Hand hielt.
Als sie sie entdeckte, entzog Millicent sie ihm rasch, aber ihre Wangen waren dunkelrosa; es bestand wohl kein Zweifel daran, dass sie ihre Gesundheit wiedergewinnen würde.
»Ich bin hiergeblieben«, vertraute Sir Godfrey ihnen an. »Es gibt ein paar Dinge, die ich besser nicht mit ansehe, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Das tat Gerrard sehr wohl. Aber so, wie es tatsächlich abgelaufen war, hatte er keine Hand an Jordan Fritham legen müssen. Jordan hatte die Saat seines eigenen Untergangs selbst gesät und die bittere Ernte eingefahren.
Die beiden überließen es der unten wartenden Menge, Millicent und Sir Godfrey die ganze Geschichte zu berichten; Jacqueline bestand nämlich darauf, dass sich Gerrard seine Wunden von ihr versorgen ließ.
Sein Zimmer war zerstört; daher brachte sie ihn in ihres.
An dem Abend gingen sie nicht wieder nach unten. Traute Zweisamkeit war alles, was sie begehrten. Alles, was sie brauchten.
Aber sie brauchten sie wirklich.
Sie mussten sich des anderen vergewissern und einfach das Leben als solches feiern.
Um zu lieben, einander Freude zu schenken, sich daran zu erfreuen, was sie gemeinsam gefunden hatten, um alles zu bekräftigen, was zwischen ihnen so stark und kraftvoll gewachsen war.
Jacqueline wusste, was er für sie riskiert hatte - nicht nur sein Leben, sondern sein Lebenselixier. Er war Maler - Maler mit Leib und Seele, doch er war den Zyklop-Felsen hinaufgeklettert in dem Wissen, dass ein tiefer Schnitt, eine Wunde an der falschen Stelle es ihm für immer unmöglich machen könnte, einen Pinsel zu halten.
Ihr liefen die Tränen über die Wangen, während sie die geröteten Abschürfungen abwusch; die Kehle war ihr zugeschnürt, sodass sie nicht aussprechen konnte, was sie bewegte. Er lehnte sich vor, fand ihre Lippen und küsste sie sanft, bewies ihr, dass seine Finger noch funktionierten, indem er sie fest um die ihren schloss.
Sie hob den Kopf, erwiderte den Kuss - nahm ihn einfach an. Es gab sonst nichts, was sie tun konnte.
Gerrard legte sich zurück und ließ sich von ihr die Hand versorgen, seine lädierten Füße. Ließ sie tun, was sie wollte. Ließ sich von ihr lieben, an Leib und Seele wiederherstellen.
Später gab er ihr das Geschenk in vollem Ausmaß zurück, sodass sie beide durch die Liebe noch enger miteinander verbunden waren.
Mitten in der Nacht bat er sie um seine Belohnung, und sein Wunsch wurde erhört. Weil er ihr Retter war, weil er sie von den Schatten der Vergangenheit befreit hatte, ihr ein neues Leben geschenkt hatte, gab sie ihm gerne ihr Versprechen. Voller Freude.
Es kommt, wie es kommen muss.
Wie immer hatte Timms am Ende recht behalten.
Epilog
April 1832
The Grange, Derbyshire
Der Sommer verging, Herbst und Winter samt dem Jahreswechsel kamen, und dann wurde es wieder Frühling. Gerrard saß im Schatten auf der Terrasse, von der man in die Gärten sehen konnte, und beobachtete Jacqueline, seine Frau, wie sie zwischen den Blumenbeeten spazierte. Hier und dort blieb sie stehen, bewunderte diese Blüte, dann jene. In seinen Augen kam niemand ihr an Schönheit gleich.
Er war nicht der Einzige, der so dachte. Ihr Porträt, das auf seiner überaus erfolgreichen Winterausstellung zu sehen gewesen war, hatte nicht nur viel Lob geerntet, sondern war mit Ehrfurcht aufgenommen worden. Man sagte, er habe neue Maßstäbe für die Porträtmalerei gesetzt. Hatten all die Lobeshymnen süß geschmeckt, so war das heimliche Lächeln, das sie dabei ausgetauscht hatten, wie köstlicher Nektar gewesen.
Die wahre Bedeutung des Porträts, den Grund, weswegen es überhaupt entstanden war, kannten nur wenige. Schließlich und endlich hatte keine Notwendigkeit mehr bestanden, die Geschehnisse an die große Glocke zu hängen.
Jordan war tot, Eleanor hinter Schloss und Riegel. Lord und Lady Fritham waren verschwunden, zu erschüttert, um in der Gegend zu bleiben, in der man sie vor vielen Jahren so freundlich willkommen geheißen hatte. Monate später hatte Barnaby sie in einem Dorf unweit von Hull ausfindig gemacht; sie hatten sich dort niedergelassen. Alle bemitleideten die Frithams aufrichtig und wünschten ihnen alles Gute; sie hatten nichts geahnt von dem Treiben ihrer Nachkommen, geschweige denn von ihren Perversionen.
Marcus war aus seiner Zurückgezogenheit aufgetaucht, um zuerst Jacqueline ihrem Bräutigam zuzuführen und einen Monat später auch Millicent. Jetzt, da er wie auch seine Nachbarn die Wahrheit hinter den
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