Hauchnah
Höhe. „Ich beende die Durchsuchung.“ Er überprüfte ein Zimmer nach dem anderen im ganzen Haus und vergewisserte sich, dass niemand sich in irgendwelchen Schränken versteckt hielt. Überall herrschte ein wüstes Chaos, Kleider und Kisten lagen herum. Hanes hatte sich offenbar im vorderen Wohnzimmer eingerichtet. Es war deutlich sauberer als die übrigen Räume, als hätte er es selbst nicht ausgehalten, im Dreck zu hausen. Eine Decke und ein Kissen waren zu einem ordentlichen Packen zusammengelegt, auf einem Tisch stapelten sich säuberlich zerlegte Fast-Food-Behälter und leere Becher. Daneben stand eine kleine Flip-Videokamera auf einem Stativ. Fluchend ging Mac ins hintere Familienzimmer neben der Küche zu Jase.
Sein Blick fiel auf das bewusstlose Opfer am Boden, einen korpulenten Mann mit dünnen blutverklebten weißen Haaren. Jase hockte neben ihm; um ihn herum verstreut lagen Reste von Seilen und Klebeband. „Er hat ziemlich hart zugeschlagen. Das Blut, das du gesehen hast, stammt vermutlich von seiner Kopfverletzung.“
Mac nickte. „Hast du schon Meldung gemacht?“
„Ja. Ambulanz und Streifenwagen sind unterwegs.“
„Er war die ganze Zeit hier. Wahrscheinlich seit dem Einbruch oder sogar schon vorher. Hat sie beobachtet. Hat uns beobachtet. Er hat sogar eine Videokamera aufgestellt.“
„Die hiesige Polizei hat ihre Pflicht getan. Niemand konnte ahnen, dass er so dreist ist.“
Mag sein, dachte Mac, aber ob es nun verständlich war oder nicht, es war trotz allem ein Übersehen, das Natalie das Leben hätte kosten können. „Jetzt wissen wir, dass er verflixt dreist ist. Und wir werden ihn nicht noch einmal unterschätzen.“
Alex stellte das Taxi auf dem Parkplatz hinter einem Supermarkt ab. Er ging mehrere Meilen zu Fuß zu dem Busbahnhof, wo er sein eigenes Auto geparkt hatte – das Auto, das Clemmons ihm gekauft hatte -, und fuhr auf die Autobahn in Richtung Sacramento.Erst nach etwa dreißig Meilen hörte er auf, ständig in den Rückspiegel zu blicken.
Seit der Zeit im Gefängnis hatte er sich nicht mehr so verloren gefühlt. Im Gefängnis hatte er allerdings den Seelsorger gehabt. Der ihn trotz seiner Straftaten unterrichtete. Der ihn trotz seiner anfänglichen Unhöflichkeit nicht ächtete. Der ihn geduldig zum Licht führte und ihm das Paradies zeigte, das ihn erwartete, wenn er nur willens war, seine Sünden zu bereuen und sich einem allmächtigen Gott anheimzugeben.
Doch jetzt hatte Alex keinen Seelsorger, der ihn anleitete. Er hatte etwas Besseres, jemand Besseren, das hatte er zumindest geglaubt. Ohne jemanden, der ihm die Heilige Schrift auslegte oder ihn auf Zeichen hinwies, empfand er seine Umwelt als verwirrend. Grau.
Alex behagte das Grau nicht. Er wollte alles in Schwarz und Weiß. Im Grau lauerte das Böse, führte die Menschheit in Versuchung und begünstigte die Sünde. Ersann Ausreden. Brachte alles durcheinander, sodass man nie sicher sein konnte, wer zu einem sprach, Gott oder der Teufel in Menschengestalt. Alex fehlte die tröstliche Gewissheit. Die Gewissheit, dass er das Richtige tat. Weil es das war, was Er wünschte.
Doch jetzt war Alex nicht sicher. Nicht, seit die Frau ihm entwischt war. Sich seinen Plänen entzogen hatte. Gottes Plänen. Oder hatte er etwas missverstanden?
Es war nicht schwer gewesen, Natalie Jones aufzugabeln. Viel einfacher, als er es sich vorgestellt hatte. Er hatte gesehen, wie sie aus dem Haus kam. Der Anblick ihres Blindenstocks hatte ihn schockiert. Verwirrt starrte er ihn an. Warum benutzte sie einen Blindenstock?
Es gab nur eine Antwort: Sie war blind.
Er musste laut lachen über diese Ironie des Schicksals. Sie hatte etwas gesehen, das nicht für ihre Augen bestimmt war. Etwas, das sie nach Gottes Willen nicht hätte sehen dürfen, deshalb ließ Er sie erblinden. Dann hatte Er Alex geschickt, um sie auf ihren Weg zu führen.
Er konnte seine Erregung kaum kontrollieren, als er sie beobachtete. Sie wartete und wartete, dann ging sie zurück ins Haus. Als das Taxi vorfuhr, wusste Alex genau, wie er vorgehen würde.
Es war ein dreister Plan, das wusste er. Mancher würde sagen, es wäre mehr als idiotisch, dass er am helllichten Tag den Fahrer überwältigen und seinen Platz einnehmen wollte. Er rechnete damit, dass jemand schrie, dass die Polizei mit heulender Sirene und gezückten Waffen vorfuhr, aber nichts geschah. So ergab es einen Sinn. Er hatte den Weg für ihn geebnet, ein weiteres heiliges Zeichen dafür, dass
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