Schattenkrieg
PROLOG
Ölbohrplattform
Statfjord-C
,
Nordmeer
Donnerstag, 10. September 1998
Die Außenwelt
Im Grunde genommen war es ein lausiger Job. Die Regierung bezahlte ein Viertel der Stunden überhaupt nicht, und auch die Sondervergünstigungen wurden mehr und mehr zusammengestrichen. Dazu kamen die Sicherheitslücken, die in der letzten Zeit aufgetreten waren und die Arbeit beinahe zu einem Himmelfahrtskommando machten. Ganze
sieben
Taucher waren in den letzten Wochen verschollen, allein vier bei
Statfjord-C
. Über das Jahr verteilt waren es bereits zwanzig Tote. Lars war ein routinierter Taucher, mit seinen knapp fünfunddreißig Jahren erfahrener als die meisten Berufstaucher der staatlichen Ölbohrgesellschaft. Doch seit neuestem starben nicht mehr nur junge, unerfahrene Draufgänger, sondern auch alte Hasen. Und da das Nordmeer wohl kaum von einem Jahr aufs andere gefährlicher geworden war, konnten nur die Einsparungen der Gesellschaft für die vielen Toten verantwortlich sein.
Der Sikorsky-Hubschrauber befand sich im Landeanflug. Durch das Seitenfenster sah Lars die gelben Kräne und den riesigen weißen Rumpf der Plattform. Dahinter zeichnete sich fern am Horizont die Silhouette der Küstengebirge schwarz vor dem Dunkelblau des Morgenhimmels ab. Vom Nebel, der während dieser Monate oft dick über dem Nordmeer lag, fehlte heute jede Spur.
Nicht, dass das für Lars interessant war. In den Tiefen des Nordmeers war es zu jeder Zeit stockfinstere Nacht. Ohne Taschenlampen und die Scheinwerfer der Tauchschlitten war eine Arbeit dort unten nicht möglich.
Der Pilot setzte den Hubschrauber sehr sorgfältig und sanft auf die Landeplattform. Seufzend öffnete Lars die Schnalle des Sicherheitsgurts und stand auf. Das ständige Hintergrundgeräusch der Rotoren schwoll zu einem mächtigen Dröhnen an, als sein Tauchpartner Sven die Seitenluke aufschob und nach draußen sprang. Gemeinsam machten sie sich daran, die schweren, unförmigen Taschen mit ihrer Tauchausrüstung nach draußen zu schaffen. Sie bedankten sich kurz bei dem Piloten für den ruhigen Flug und schleppten ihre Gerätschaften in den Schwebegang, der die Plattform mit dem Rest der Station verband. Hinter ihnen heulten die Motoren des Helikopters auf. Durch ein Sichtfenster beobachtete Lars, wie der Sikorsky abhob und in Richtung Südwesten davonflog.
Abgeschnitten,
dachte er. Dieses mulmige Gefühl empfand er immer, wenn er neu auf eine Station kam. Dieses Mal war keine Ausnahme.
Er hörte laute Schritte auf dem Gitterboden des Ganges und riss seinen Blick vom Fenster los. Ein Mann in Jeans, Pullover und offener, gelber Regenjacke kam ihnen entgegen. Sein Gesicht war glatt rasiert und wurde von langen, gepflegten grauen Haaren eingerahmt. Ihm folgten zwei Arbeiter, die unter der unvermeidlichen Regenjacke ölverschmierte Blaumänner trugen.
»Willkommen auf
Statfjord-C
!«, begrüßte sie der Mann. »Ich bin Erik Sundskogen, technischer Leiter dieser Station.«
Die beiden Taucher stellten sich vor, während sie ihm die Hand schüttelten. Anschließend führte sie Erik durch den Schwebegang zum Lift. Die beiden Arbeiter folgten ihnen, die schwere Ausrüstung der Taucher schleppend.
»Wie war der Flug?«, fragte der Ingenieur, während sie auf die Kabine des Aufzuges warteten.
»Ruhig«, antwortete Sven. »Sehr schönes Wetter heute.«
»Ihr 1 kommt von der
Odin
?«
»Ja.«
Die Türen des Lifts öffneten sich, und sie stiegen ein. Während sie nach unten in den Bauch der Station fuhren, konnte sich Lars ein Lächeln nicht verkneifen. Obwohl der Ingenieur lange Haare und legere Kleidung trug, sprach er die polierte und rhetorisch geschulte Sprache eines Managers. Damit stand er im massiven Gegensatz zu Sven, der mit seinen wild vom Kopf abstehenden Dreadlocks, den schmuddeligen Jeans und der alten zerschlissenen Armeejacke aussah wie aus irgendeiner Kommune entlaufen.
Den Ingenieur schien Svens Äußeres jedoch kaum zu beeindrucken – natürlich nicht, denn Taucher waren unter den Besatzungen der Ölplattformen schon immer als Exzentriker verschrien, und Sven war kaum das wildeste Beispiel dafür. Tauchern haftete der Mythos eines gewissen Heldenmutes an. Wie die Dinge zurzeit standen, war diese Heldenverehrung nicht einmal ganz unberechtigt. Der Gedanke ließ Lars erschaudern.
Nachdem Erik sie durch ein Labyrinth aus gleichartigen, monotonen Gängen geführt hatte, erreichten sie schließlich einen Konferenzraum. Dort warteten
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