Hauchnah
wütend.
„Wer ist da?“, rief sie.
„Keine Angst“, antwortete eine leise, heisere Männerstimme. Er kam näher, sie bemerkte es an den Schatten.
Natalie wich ein paar Schritte zurück, doch er folgte ihr, und die schattenhaften Umrisse wurden größer. Bedrohlicher. Eine Angstattacke überfiel sie, schien ihre Wut niederzudrücken, aber sie reckte das Kinn und blickte fest in die Richtung des Mannes. „Raus hier“, flüsterte sie.
Er rührte sich nicht.
„Raus hier!“ Dieses Mal schrie sie. „Raus …“
„Halt den Mund.“
Sie drehte sich um und stürzte in Richtung Haustür. Sie hörte seine schweren Schritte dicht hinter sich.
„Verdammt, bleib stehen. Wohin willst du überhaupt?“
Schmerz, verursacht durch einen Hieb, explodierte in ihrer Schläfe. Sie stürzte bäuchlings, schlug mit dem Gesicht auf den Holzfußboden auf und spürte etwas Warmes aus ihrer Nase rinnen. Sie schüttelte den Kopf, versuchte klar zu denken.
„Es tut mir leid, aber ich muss Gottes Reich verteidigen. Ich brauche die absolute Gewissheit.“
Ruckartig rappelte sie sich auf, kam schwankend auf die Füße und probierte noch einmal, die Tür zu erreichen. „Mistkerl, geh mir aus dem …“
Ein weiterer Schlag traf sie. Und noch einer.
Natalie atmete tief ein und wehrte sich gegen den Schmerz in ihrem Schädel. Als er die Hände um ihren Hals legte, wurde die Angst in ihr übermächtig.
Er zerrte Natalie hoch und drückte sie an die Wand. Ihre Zehen berührten kaum noch den Boden. Erbarmungslos drückte er ihr die Luft ab. Sie kämpfte trotzdem, trat nach ihm, ohne jedoch die nötige Kraft aufzubringen. Sie zerrte an seinen Fingern, aber sie bekam nicht genug Luft.
Sie spürte seinen Atem auf ihrem Gesicht, heiß und verzweifelt. Er redete unentwegt auf sie ein, wiederholte, dass es ihm leidtäte, und drückte gleichzeitig fester zu.
Die Augen, kam es ihr in den Sinn. Die Augen sind der verletzlichste Körperteil.
Ein Bild aus dem Stooges-Film vor dem inneren Auge, spreizte sie Zeige- und Mittelfinger und zielte auf das Gesicht des Mannes. Irgendwie gelang es ihr, ihn zu treffen. Er heulte auf.
Der Mann ließ sie los, und sie schwankte, orientierungslos durch den plötzlich nachlassenden Druck. Dann stand er wieder vor ihr, blockierte die Haustür, und sie drängte in die entgegengesetzteRichtung, zu ihrem Schlafzimmer. Hauptsache weg von ihm.
Er packte ihren Arm, und sie schrie. Er schlug sie. Einmal. Zweimal. Sie taumelte zurück und stieß gegen die Wand. Hörte Glas splittern. Trat nach dem Mann und traf ihn. Sie hörte ihn stöhnen und schwer stürzen. Schaffte es, in Bewegung zu bleiben.
Dann erreichte sie ihr Schlafzimmer, schmiss die Tür zu und schloss sie ab. Noch bevor sie zum Telefon gegriffen hatte, schrie Natalie: „Die Polizei ist auf dem Weg. Ich habe den Notruf gewählt.“
Immer wieder rief sie die Warnung und tippte die Nummer ein. Die Zentrale meldete sich und fragte nach der Art des Notfalls. Natalie krächzte: „Hilfe. Jemand … jemand ist in meinem Haus.“
Die Frauenstimme verlangte nähere Informationen, und Natalie versuchte zu antworten. Doch ihre Stimme versagte, und sie konnte kaum den Hörer halten.
Die Schmerzen in Kopf und Hals ließen nach.
Dunkelheit umfing sie.
Sie hörte in der Ferne eine andere Stimme.
Ein Hämmern an ihrer Schlafzimmertür.
Wieder wollte die Angst die Oberhand über ihr schwindendes Bewusstsein erlangen.
Und dann kapitulierte sie und ergab sich wieder einmal der Finsternis.
4. KAPITEL
M ac schaltete den Motor aus und musterte das große Haus im spanischen Missionsstil in einer der angesehensten Wohngegenden von Plainville, etwa eine Autostunde südlich der Fundstelle von Lindsay Monroes Überresten. Natalie Jones, die Besitzerin des Hauses, war selbst ein Opfer, doch im Gegensatz zu Lindsay war es ihr irgendwie gelungen, ihrem Angreifer zu entkommen.
„Nettes Häuschen.“ Jase Tyler auf dem Beifahrersitz, der große schlaksige Texaner mit braunem Haar, schleppender Sprache und ausgeprägtem Gedächtnis für Einzelheiten und Gesichter, pfiff durch die Zähne. Er war das neueste Mitglied der SIG und außer Mac der Einzige, der nicht beim Militär gedient hatte. Von den fünf Mitgliedern, sinnierte Mac, war er auch der unbeschwerteste und charmanteste – und mit Sicherheit der modebewussteste – Mann, den Mac kannte, der nicht gleichzeitig ein klassischer Metrosexueller war. Doch das galt nur, solange man ihn nicht verärgerte. Dann war
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