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Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung

Titel: Tödliche Fortsetzung - Bischoff, M: Tödliche Fortsetzung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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1989
    Niemals in seinem ganzen Leben würde er dieses Geräusch vergessen. Klack! Ein Federn und Schnalzen, als schlüge jemand eine gigantische metallene Fliegenklatsche gegen eine Stahlwand. Der Schlag hallte durch das Backsteingebäude und in einhundertfünfzig Zellen erlosch das Licht. Punkt zweiundzwanzig Uhr – Zapfenstreich.
    Der von außen verschlossene Raum, eine wegen Überbelegung umgewandelte Gerätekammer, war fensterlos, darum glimmte ein Nachtlicht neben der Zellentür. Es spendete gerade genug Licht, um in der Dunkelheit den Weg über den kahlen Betonboden zur Toilette zu finden, die – nackte weiße Keramik, ohne Sitzbrille – in einer Ecke des Raums installiert war. Das Notlicht summte. Der Mann auf der unteren Pritsche stellte sich zum wiederholten Mal die Frage, wie Leute dieses endlose Summen ertrugen, die nicht so leicht Schlaf fanden wie er. Als der oben Liegende sich zur Seite drehte, schwankte und quietschte das eiserne Bettgestell, obwohl das Bett mit fünfzehn Zentimeter langen Schrauben an der Wand befestigt war. Das jedenfalls erzählten die Schließer den Neuankömmlingen, wohl um sie davon abzuhalten, das Gestell zu zerlegen und mit den Metallstreben aufeinander loszugehen. In der Zelle roch es nach Desinfektionsmittel und Zahnpasta. Kaum hörbar rauschte in der Mitte der Decke die Lüftung, Tag und Nacht. Daneben wähnte der Mann das elektronische Auge der Überwachungskamera, obwohl er es in der Dunkelheit nicht sehen konnte.
    »Kannst du ein Geheimnis bewahren?« Der Mann im oberen Bett flüsterte. Unterhaltungen nach dem Zapfenstreich waren verboten, doch das Flüstern konnten die Schließer nicht hören und die nächtliche Überwachung der Zellen beschränkte sich auf die stichprobenartige Begutachtung von Standbildern.  
    Der jüngere Mann im unteren Bett lächelte. So unangenehm der Aufenthalt im Gefängnis auch sein mochte: Wenn man mit einem Freund die Zelle teilte, wurde er einigermaßen erträglich.
    »Natürlich. Leg los«, flüsterte er zurück.
    »Du schwörst, du sagst es niemandem?« In der Stimme von oben schwang ein lauernder Unterton mit.
    »Versprochen. Du darfst mich umbringen, wenn ich es jemandem verrate.« Er meinte es als Scherz, so wie pubertierende Jungen die Sprüche aus Actionfilmen übernehmen. Doch die unbeschwerte Zeit war lange vorbei.
    »Das werde ich tun, darauf kannst du Gift nehmen«, er widerte der andere mit einer Nüchternheit, die dem Jüngeren beinahe das Herz stehen bleiben ließ. Das war ganz sicher kein Scherz gewesen.
    »Erzähl schon!«, forderte er seinen Zellengenossen trotzdem auf.
    Eine dramatische Pause entstand.
    »Ich hab Frauen umgebracht.«
    Der Jüngere runzelte die Stirn. Mord? Im Knast wollten sich viele wichtig machen. Man durfte nicht alles glauben.
    »Ich dachte, du sitzt wegen neunundzwanzig ein, so wie ich?«, antwortete er argwöhnisch. In Paragraf neunundzwanzig des Betäubungsmittelgesetzes ging es um Anbau, Herstellung und Handel mit illegalen Betäubungsmitteln, zum Beispiel Kokain. Und mit harten Drogen hatte man sie beide – unabhängig voneinander – auf der Straße erwischt und für neun Monate eingesperrt. In dieselbe Zelle.
    »Tu ich auch. Wegen neunundzwanzig sitze ich im Knast. Aber ein paar Monate, bevor sie mich geschnappt haben, habe ich die Frauen gekillt.«
    Der Jüngere blieb skeptisch, beschloss aber, seinem Zellengenossen auf den Zahn zu fühlen. »Wie viele waren es denn?«
    »Fünf. Vier Nutten und eine Schülerin, aber die ist mir zufällig dazwischengeraten«, erklärte der andere.
    »Und wie hast du es gemacht?«
    Von oben kam ein unterdrücktes Glucksen. Der Jüngere spürte, wie sich die Haare an seinen Unterarmen aufstellten.
    »Es war ein Unfall. Bei der ersten. Ich hatte was genommen, hatte Bock auf was Besonderes. Ich hab sie gewürgt, während sie mir einen geblasen hat. Als ich gekommen bin, hab ich aus Versehen zu fest zugezogen. So was Geiles hab ich noch nie erlebt, sag ich dir. Es war keine Absicht, aber als sie tot war, fühlte ich mich richtig gut. Da hatte ich Blut geleckt.«
    Der Jüngere spürte, wie sein Herz hämmerte. Mit einer derart detaillierten Beschreibung hatte er nicht gerechnet. Doch er kannte den anderen lange genug: Sich vorzustellen, dass er Spaß am Töten empfunden hatte, fiel ihm nicht schwer. »Was hast du mit der Leiche gemacht?«
    »An der Decke war ein Ventilator, ich hab sie daran aufgehängt. Sah wie Selbstmord aus. Alle haben es geglaubt, war ja auch

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