Kein Schwein bringt mich um
Ottos neue Flamme
Noch war meine Welt in Ordnung. Wenn ich morgens aus meiner Villa trat, begrüÃte ich den Frühling mit einem Jubelschrei. Das mochte auf AuÃenstehende befremdlich wirken, aber der Winter mit seinen Minusgraden und Unmengen an Schnee hatte mich kirre gemacht. Von Anfang Dezember bis Ende Januar hatte ich jeden Tag den Weg vom Haus zum Schweinestall freischaufeln müssen, sodass meine Armmuskeln mittlerweile den doppelten Umfang erreicht hatten. Nur gering übertrieben. Während sich das restliche Deutschland über die weiÃe Pracht zu freuen schien, vermisste ich in der öffentlichen Berichterstattung das Mitgefühl mit verlorenen Seelen in kilometerlangen Staus auf spiegelglatten StraÃen, mit bibbernden Passagieren in zugigen Bahnhöfen und mit schlotternden Detektiven beim Räumdienst auf ihren Kotten in der Bulderner Puszta.
Aber jetzt war das Winterchaos vorbei.
Allerdings waren meine Klagen über die Wetterkapriolen der vergangenen Wochen geradezu lächerlich im Vergleich zu den Ereignissen, die mir bevorstehen sollten â aber der Reihe nach.
Just als ich an diesem herrlichen Sonntag die Haustür öffnete, um mein Schwein Pedder mit Resten des gestrigen Ratatouilles zu verwöhnen, fuhr ein Taxi auf meinen Hof. Ich stellte den Eimer ab und zog die Arbeitshandschuhe aus. Mein Freund Otto Baumeister stieg aus dem Gefährt, bekleidet mit einem schwarzen Lodenmantel und ordentlich Pomade im Haar. Otto war Rentner und wohnte in einem Dülmener Seniorenheim. Wir hatten uns bei einem Mordfall kennengelernt, und seitdem stand er mir ab und zu mit Rat und Tat zur Seite.
Der Gute wird alt, dachte ich, als der Rentner sich aus dem Taxi hievte. Mühsam zog er sein Portemonnaie aus der Hosentasche, und ein Schein wechselte den Besitzer.
»Dieter, frohes neues Jahr«, schallerte er mir strahlend zu und humpelte auf einen Stock gestützt in meine Richtung.
»Es ist März, ein wenig spät für Neujahrswünsche.«
»Moment«, stieà Otto hervor, kramte ungelenk in seiner Manteltasche und beförderte ein Blatt Papier ans Tageslicht.
»Hier«, rief er triumphierend aus und deutete auf meinen Namen. »Ich notiere jedes Jahr, wen ich beglückwünscht habe. Hinter deinem Namen fehlt der Haken. Kein Glückwunsch ohne Haken, mein Bester.«
Der Gute schien zu viel Zeit zu haben. AuÃerdem hatten wir im Februar telefoniert, das hätte ich jederzeit beschworen.
»Sollte ich das wirklich vergessen haben?«, nuschelte Otto in den nicht vorhandenen Bart und kratzte sich am Hinterkopf, wobei er fast hingefallen wäre, wenn ich ihn nicht blitzschnell in den Klammergriff genommen hätte.
»Was ist denn mit dir los?«, fragte ich und begann mir wirklich Sorgen zu machen. »Komm erst mal rein, ehe du noch kollabierst.«
»Ich bin zurzeit etwas geschwächt, was aber keine Entschuldigung für diesen unverzeihlichen Fauxpas sein soll. Habe über eine Woche im Krankenhaus verbracht. Ich sage dir, das war kein Zuckerschlecken.«
Mittlerweile hatte ich den Rentner in einen bequemen Ledersessel bugsiert. Ich zog seinen Mantel aus und entblöÃte einen eleganten Dreireiher samt Armani-Krawatte. Ein Gentleman der alten Schule.
Nachdem ich noch eine FuÃbank vor seinem Sessel platziert hatte, kredenzte ich einen Kaffee.
»Jetzt mal Butter bei die Fische. Was ist passiert?«
»Hast du momentan viel zu tun?«, erkundigte sich Otto und veredelte das dampfende Getränk mit Biomilch.
»Geht so. Beruflich sieht es entspannt aus. Kein Fall und genug Geld in der Schublade. Aber Freitag und Samstag ist meine Hochzeit mit Karin â¦Â«
»In fünf Tagen schon? Na, dann mal herzlichen Glückwunsch.« Otto schien im Moment wirklich durch den Wind zu sein, denn die Einladungskarten waren schon vor Wochen verschickt worden, und der liebenswerte Senior stand weit oben auf der Gästeliste.
Dies sagte ich ihm auch, was ihn zu einem Jubelsprung ansetzen lieÃ, den er aufgrund seiner schwachen Konstitution jedoch nur andeuten konnte. Streng genommen bewegte er sich nur drei Millimeter in die Höhe. Immerhin trat er die FuÃbank um, die ich gleich wieder unter seinen FüÃen positionierte.
»Auf jeden Fall scheinen alle heià darauf zu sein, mich unter die Haube zu bringen. Mein Vater hat sich auf Malle eine junge Schickse angelacht. Obwohl ich diese Arabella noch nie
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