Hauffs Maerchen - Gesamtausgabe
nicht mit Kartenspielen verderbten, so ist es wahrlich besser; und gemerkt habe ich mir die Geschichte, daß ich sie morgen meinen Kameraden erzählen kann, ohne ein Wort zu fehlen.”
“Mir fiel da, während Ihr so erzähltet, etwas ein”, sagte der Student.
“O erzählet, erzählet!” baten der Zirkelschmidt und Felix.
“Gut”, antwortete jener, “ob die Reihe jetzt an mich kömmt oder später, ist gleichviel; ich muß da doch heimgeben, was ich gehört. Das, was ich erzählen will, soll sich wirklich einmal begeben haben.”
Er setzt? sich zurecht und wollt? eben anheben zu erzählen, als die Wirtin den Spinnrocken beiseite setzte und zu den Gästen an den Tisch trat. “Jetzt, ihr Herren, ist es Zeit, zu Bette zu gehen”, sagte sie; “es hat neun Uhr geschlagen, und morgen ist auch ein Tag.”
“Ei, so gehe zu Bette”, rief der Student, “setze noch eine Flasche Wein für uns hieher, und dann wollen wir dich nicht länger abhalten.”
“Mit nichten”, entgegnete sie grämlich, “solange noch Gäste in der Wirtsstube sitzen, kann Wirtin und Dienstboten nicht weggehen. Und kurz und gut, ihr Herren, machet, daß ihr auf eure Kammern kommet; mir wird die Zeit lang, und länger als neun Uhr darf in meinem Hause nicht gezecht werden.”
“Was fällt Euch ein, Frau Wirtin”, sprach der Zirkelschmidt staunend; “was schadet es denn Euch, ob wir hier sitzen, wenn Ihr auch schon längst schlafet; wir sind rechtliche Leute und werden Euch nichts hinwegtragen, noch ohne Bezahlung fortgehen. Aber so lasse ich mir in keinem Wirtshaus ausbieten.”
Die Frau rollte zornig die Augen: “Meint Ihr, ich werde wegen jedem Lumpen von Handwerksburschen, wegen jedem Straßenläufer, der mir zwölf Kreuzer zu verdienen gibt, meine Hausordnung ändern? Ich sag? Euch jetzt zum letztenmal, daß ich den Unfug nicht leide!”
Noch einmal wollte der Zirkelschmidt etwas entgegnen, aber der Student sah ihn bedeutend an und winkte mit den Augen den übrigen. “Gut”, sprach er, “wenn es denn die Frau Wirtin nicht haben will, so laßt uns auf unsere Kammern gehen. Aber Lichter möchten wir gerne haben, um den Weg zu finden.”
“Damit kann ich nicht dienen”, entgegnete sie finster, “die andern werden schon den Weg im Dunkeln finden, und für Euch ist dies Stümpfchen hier hinlänglich; mehr habe ich nicht im Hause.”
Schweigend nahm der junge Herr das Licht und stand auf. Die andern folgten ihm, und die Handwerksbursche nahmen ihre Bündel, um sie in der Kammer bei sich niederzulegen. Sie gingen dem Studenten nach, der ihnen die Treppe hinan leuchtete.
Als sie oben angekommen waren, bat sie der Student, leise aufzutreten, schloß sein Zimmer auf und winkte ihnen herein. “Jetzt ist kein Zweifel mehr”, sagte er, “sie will uns verraten; habt ihr nicht bemerkt, wie ängstlich sie uns zu Bette zu bringen suchte, wie sie uns alle Mittel abschnitt, wach und beisammen zu bleiben. Sie meint wahrscheinlich, wir werden uns jetzt niederlegen, und dann werde sie um so leichteres Spiel haben.”
“Aber meint Ihr nicht, wir könnten noch entkommen?” fragte Felix; “im Wald kann man doch eher auf Rettung denken als hier im Zimmer.”
“Die Fenster sind auch hier vergittert”, rief der Student, indem er vergebens versuchte, einen der Eisenstäbe des Gitters loszumachen. “Uns bleibt nur ein Ausweg, wenn wir entweichen wollen, durch die Haustüre; aber ich glaube nicht, daß sie uns fortlassen werden.”
“Es käme auf den Versuch an”, sprach der Fuhrmann: “ich will einmal probieren, ob ich bis in den Hof kommen kann. Ist dies möglich, so kehre ich zurück und hole euch nach.” Die übrigen billigten diesen Vorschlag, der Fuhrmann legte die Schuhe ab und schlich auf den Zehen nach der Treppe; ängstlich lauschten seine Genossen oben im Zimmer; schon war er die eine Hälfte der Treppe glücklich und unbemerkt hinabgestiegen; aber als er sich dort um einen Pfeiler wandte, richtete sich plötzlich eine ungeheure Dogge vor ihm in die Höhe, legte ihre Tatzen auf seine Schultern und wies ihm, gerade seinem Gesicht gegenüber, zwei Reihen langer, scharfer Zähne. Er wagte weder vor-noch rückwärts auszuweichen; denn bei der geringsten Bewegung schnappte der entsetzliche Hund nach seiner Kehle. Zugleich fing er an zu heulen und zu bellen, und alsobald erschien der Hausknecht und die Frau mit Lichtern.
“Wohin, was wollt Ihr?” rief die Frau.
“Ich habe noch etwas in meinem Karren zu holen”, antwortete
Weitere Kostenlose Bücher