Hauffs Maerchen - Gesamtausgabe
Tor niederfiel, und er selbst nur noch “Graf Kuno stirbt” rufen konnte, ehe er ohnmächtig wurde. Da donnerten die Kanonen von Hohenzollern herab, Graf Wolf freute sich mit seiner Mutter über das gute Faß Wein und das Erbe, den Teich, über den Schmuck und den starken Widerhall, den seine Kanonen gaben. Aber was er für Widerhall gehalten, waren die Kanonen von Schalksberg, und Wolf sagte lächelnd zu seiner Mutter: “So hat der Kleine auch einen Spion gehabt, und wir müssen auch den Wein gleich teilen wie das übrige Erbe.” Dann aber saß er zu Pferd, denn er argwohnte, der kleine Schalk möchte ihm zuvorkommen und vielleicht einige Kostbarkeiten des Verstorbenen wegnehmen, ehe er käme.
Aber am Fischteich begegneten sich die beiden Brüder und jeder errötete vor dem andern, weil beide zuerst nach Hirschberg hatten kommen wollen. Von Kuno sprachen sie kein Wort, als sie zusammen ihren Weg fortsetzten, sondern sie berieten sich brüderlich, wie man es in Zukunft halten wolle, und wem Hirschberg gehören solle. Wie sie aber über die Zugbrücke und in den Schloßhof ritten, da schaute ihr Bruder wohlbehalten und gesund zum Fenster heraus, aber Zorn und Unmut sprühten aus seinen Blicken. Die Brüder erschraken sehr, als sie ihn sahen, hielten ihn anfänglich für ein Gespenst und bekreuzten sich, als sie aber sahen, daß er noch Fleisch und Blut habe, rief Wolf: “Ei, so wollt? ich doch! Dummes Zeug, ich glaubte, du wärest gestorben.”
“Nun, aufgeschoben ist nicht aufgehoben”, sagte der Kleine, der mit giftigen Blicken nach seinem Bruder hinaufschaute.
Dieser aber sprach mit donnernder Stimme: “Von dieser Stunde an sind alle Bande der Verwandtschaft zwischen uns los und ledig. Ich habe eure Freudenschüsse wohl vernommen, aber sehet zu, auch ich habe fünf Feldschlangen hier auf dem Hof stehen, und habe sie euch zu Ehren scharf laden lassen. Machet, daß ihr aus dem Bereich meiner Kugeln kommt, oder ihr sollt erfahren, wie man auf Hirschberg schießt.” Sie ließen es sich nicht zweimal sagen, denn sie sahen ihm an, wie Ernst es ihm war; sie gaben also ihren Pferden die Sporen und hielten einen Wettlauf den Berg hinunter, und ihr Bruder schoß eine Stückkugel hinter ihnen her, die über ihren Köpfen wegsauste, daß sie beide zugleich eine tiefe und höfliche Verbeugung machten; er wollte sie aber nur schrecken und nicht verwunden. “Warum hast du denn geschossen?” fragte der kleine Schalk unmutig; “du Tor, ich schoß nur, weil ich dich hörte.”
“Im Gegenteil, frag? nur die Mutter!” erwiderte Wolf, “du warst es, der zuerst schoß, und du hast diese Schande über uns gebracht, kleiner Dachs.”
Der Kleine blieb ihm keinen Ehrentitel schuldig, und als sie am Fischteich angekommen waren, gaben sie sich gegenseitig noch die vom alten Wetter von Zollern geerbten Flüche zum besten und trennten sich in Haß und Unlust.
Tags darauf aber machte Kuno sein Testament, und Frau Feldheimerin sagte zum Pater: “Ich wollte was wetten, er hat keinen guten Brief für die Kanoniere geschrieben.” Aber so neugierig sie war, und so oft sie in ihren Liebling drang, er sagte ihr nicht, was im Testament stehe, und sie erfuhr es auch nimmer; denn ein Jahr nachher verschied die gute Frau, und ihre Salben und Tränklein halfen ihr nichts, denn sie starb an keiner Krankheit, sondern am achtundneunzigsten Jahr, das auch einen ganz gesunden Menschen endlich unter den Boden bringen kann. Graf Kuno ließ sie bestatten, als ob sie nicht eine arme Frau, sondern seine Mutter gewesen wäre, und es kam ihm nachher noch viel einsamer vor auf seinem Schloß, besonders da der Pater Joseph der Frau Feldheimerin bald folgte.
Doch diese Einsamkeit fühlte er nicht sehr lange; der gute Kuno starb schon in seinem achtundzwanzigsten Jahr, und böse Leute behaupteten an Gift, das ihm der kleine Schalk beigebracht hatte.
Wie dem aber auch sei, einige Stunden nach seinem Tod vernahm man wieder den Donner der Kanonen, und in Zollern und Schalksberg tat man fünfundzwanzig Schüsse. “Diesmal hat er doch daran glauben müssen”, sagte der Schalk, als sie unterwegs zusammentrafen.
“Ja”, antwortete Wolf, “und wenn er noch einmal aufersteht und zum Fenster herausschimpft wie damals, so hab? ich eine Büchse bei mir, die ihn höflich und stumm machen soll.”
Als sie den Schloßberg hinanritten, gesellte sich ein Reiter mit Gefolge zu ihnen, den sie nicht kannten. Sie glaubten, es sei vielleicht ein Freund ihres
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