Hauffs Maerchen - Gesamtausgabe
ich Herr und König in Holland, ich ließe ihn mit Kartätschen in den Boden schmettern, denn alle Schiffe, die von dem Holländer-Michel auch nur einen Balken haben, müssen untergehen. Daher kommt es, daß man so viel von Schiffbrüchen hört; wie könnte denn sonst ein schönes, starkes Schiff, so groß als eine Kirche, zu Grund gehen auf dem Wasser? Aber so oft Holländer-Michel in einer Sturmnacht im Schwarzwald eine Tanne fällt, springt eine seiner alten aus den Fugen des Schiffes; das Wasser dringt ein, und das Schiff ist mit Mann und Maus verloren. Das ist die Sage vom Holländer-Michel, und wahr ist es, alles Böse im Schwarzwald schreibt sich von ihm her; o! er kann einen reich machen”, setzte der Greis geheimnisvoll hinzu, “aber ich möchte nichts von ihm haben; ich möchte um keinen Preis in der Haut des dicken Ezechiel und des langen Schlurkers stecken; auch der Tanzbodenkönig soll sich ihm ergeben haben!”
Der Sturm hatte sich während der Erzählung des Alten gelegt; die Mädchen zündeten schüchtern die Lampen an und gingen weg; die Männer aber legten Peter Munk einen Sack voll Laub als Kopfkissen auf die Ofenbank und wünschten ihm gute Nacht.
Kohlenmunk-Peter hatte noch nie so schwere Träume gehabt wie in dieser Nacht; bald glaubte er, der finstere riesige Holländer-Michel reiße die Stubenfenster auf und reiche mit seinem ungeheuer langen Arm einen Beutel voll Goldstücke herein, die er untereinander schüttelte, daß es hell und lieblich klang; bald sah er wieder das kleine, freundliche Glasmännlein auf einer ungeheuren grünen Flasche im Zimmer umherreiten, und er meinte das heisere Lachen wieder zu hören wie im Tannenbühl; dann brummte es ihm wieder ins linke Ohr:
“In Holland gibt?s Gold,
Könnet’s haben, wenn Ihr wollt
Um geringen Sold
Gold, Gold.”
Dann hörte er wieder in sein rechtes Ohr das Liedchen vom Schatzhauser im grünen Tannenwald, und eine zarte Stimme flüsterte: “Dummer Kohlen-Peter, dummer Peter Munk, kannst kein Sprüchlein reimen auf ?stehen?, und bist doch am Sonntag geboren Schlag zwölf Uhr. Reime, dummer Peter, reime!”
Er ächzte, er stöhnte im Schlaf, er mühte sich ab, einen Reim zu finden, aber da er in seinem Leben noch keinen gemacht hatte, war seine Mühe im Traum vergebens. Als er aber mit dem ersten Frührot erwachte, kam ihm doch sein Traum sonderbar vor; er setzte sich mit verschränkten Armen hinter den Tisch und dachte über die Einflüsterungen nach, die ihm noch immer im Ohr lagen: “Reime, dummer Kohlenmunk-Peter, reime”, sprach er zu sich und pochte mit dem Finger an seine Stirne, aber es wollte kein Reim hervorkommen. Als er noch so da saß und trübe vor sich hinschaute, und an den Reim auf “stehen” dachte, da zogen drei Bursche vor dem Haus vorbei in den Wald, und einer sang im Vorübergehen:
“Am Berge tat ich stehen
Und schaute in das Tal,
Da hab? ich sie gesehen
Zum allerletztenmal.”
Das fuhr wie ein leuchtender Blitz durch Peters Ohr, und hastig raffte er sich auf, stürzte aus dem Haus, weil er meinte, nicht recht gehört zu haben, sprang den drei Burschen nach und packte den Sänger hastig und unsanft beim Arm; “halt, Freund!” rief er, “was habt Ihr da auf ?stehen? gereimt, tut mir die Liebe und sprecht, was Ihr gesungen.”
“Was ficht?s dich an, Bursche?” entgegnete der Schwarzwälder. “Ich kann singen, was ich will, und laß gleich meinen Arm los, oder -“
“Nein, sagen sollst du, was du gesungen hast!” schrie Peter beinahe außer sich und packte ihn noch fester an; die zwei andern aber, als sie dies sahen, zögerten nicht lange, sondern fielen mit derben Fäusten über den armen Peter her und walkten ihn derb, bis er vor Schmerzen das Gewand des dritten ließ und erschöpft in die Kniee sank. “Jetzt hast du dein Teil”, sprachen sie lachend, “und merk dir, toller Bursche, daß du Leute, wie wir sind, nimmer anfällst auf offenem Wege.”
“Ach, ich will mir es gewißlich merken!” erwiderte Kohlen-Peter seufzend; “aber so ich die Schläge habe, seid so gut und saget deutlich, was jener gesungen.”
Da lachten sie aufs neue und spotteten ihn aus; aber der das Lied gesungen, sagte es ihm vor, und lachend und singend zogen sie weiter.
“Also ?sehen?”, sprach der arme Geschlagene, indem er sich mühsam aufrichtete, “?sehen? auf ?stehen?, jetzt, Glasmännlein, wollen wir wieder ein Wort zusammen sprechen.” Er ging in die Hütte, holte seinen Hut und den langen Stock, nahm
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