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Havelsymphonie (German Edition)

Havelsymphonie (German Edition)

Titel: Havelsymphonie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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Mädchen in Heime zu stecken, um sie zu wertvollen Mitgliedern der Gesellschaft zu machen, wie sie sich damals ausdrückte.“
    „Darf ich Sie unterbrechen, wenn ich etwas nicht verstehe?“
    „Das dürfen Sie“, erlaubte Margarethe Hofmann. „Außerdem gibt mir das die Möglichkeit, von diesem köstlichen Wein zu trinken.“
    „Frau Walter sagte mir, Sie seien, wie auch die anderen Kinder und Jugendlichen, verhaltensgestört gewesen. Sie behauptete sogar, Sie hätten zu Verbrechen geneigt. Welche waren das denn?“
    „Ich war 17 Jahre alt und schwanger. Und ich war auch noch stolz darauf. Wegen des Vaters! Sie müssen wissen, die Musik war für mich alles in einer tristen Kindheit und Jugend. Aber nicht der Rock ’n’ Roll, der damals gerade aufkam, hatte es mir angetan. Nein, es war die Klassik. Von Anfang an. Das Orgelspiel, das aus den Kirchen drang, damit hat es begonnen. Und im Radio die Musiksendungen. So erfuhr ich von dem Opernensemble, das zu einem Gastspiel nach Dortmund kam, sie gaben La Bohème. Giorgio gehörte zu den zweiten Geigern.“ Sie unterbrach sich für einen Moment, ihr Blick war in eine unerreichbare Ferne gerichtet.
    „Ich habe vor und nach den Proben am Theater immer auf das Ensemble gewartet. Giorgio gefiel mir sofort, nach drei Tagen wurde er auf mich aufmerksam. Ich habe ihn angehimmelt. Das hat ihm geschmeichelt. Für ihn war ich nur eine nette Abwechslung, mehr nicht, das war mir klar. Wahrscheinlich war er verheiratet. Doch ich verdankte ihm den ersten Besuch einer Oper, in den Kulissen, aber egal. Und ich verdankte ihm meine Tochter. Er war schon lange wieder fort, als ich es erfuhr. Ich habe ihn nie verraten. Die Schwangerschaft einer Siebzehnjährigen, die den Vater des Kindes nicht preisgeben wollte, aber war für die Leute vom Jugendamt ein Kapitalverbrechen. Für die Walter und auch für den Reinhard, und für diese scheinheiligen Schwestern war ich auszurottendes Teufelszeug. Und mit dieser Ausrottung begannen sie gleich in der ersten Minute.“
    „Im Heim, meinen Sie?“ Manzetti nahm eine Veränderung in ihrer Stimme wahr. Das besorgte ihn, denn das Geständnis hing erheblich vom Gesprächsverlauf ab und der wahrscheinlich von ihrer Gemütslage.
    Aber sie erzählte ruhig weiter. „Noch bevor ich begrüßt wurde, schnitt man mir die Haare ab und steckte mich in diese Anstaltskleider, die eher Häftlingskleidung war.“
    „Und die Birgit Walter und Carolin Reinhard trugen, als man sie tot auffand?“
    „Ja, genau. Als ich um meine schönen langen Haare weinte, schaute mich eine Schwester an, als wäre ich der Teufel, und schrie, ich solle aufhören zu flennen. Aber ich konnte nicht aufhören, da schlug sie mir mit der flachen Hand ins Gesicht.“
    „Nur dafür?“
    „Ja. Für Schläge brauchten sie keine Rechtfertigung. Sie schlugen einfach zu, auf dem Hof, auf dem Flur, selbst in der Kapelle schlugen sie uns. Aber das war noch nicht das Schlimmste. Und ich weiß von anderen Frauen, die ich Jahre später in Therapiegruppen getroffen habe, dass es in anderen Heimen nicht anders aussah. Eine gute Freundin aus Eschweiler erzählte mir, dass sie Kohlsuppe essen musste, obwohl sie davon ganz üble Blähungen bekam und krampfartige Bauchschmerzen. Davon ließen sich die Schwestern in dem Heim aber nicht beeindrucken, und als sie sich nach der Hälfte der gelöffelten Suppe übergeben musste …“
    „Ich weiß“, unterbrach Manzetti und winkte angewidert ab.
    „Woher?“
    „Ich habe das Tagebuch einer ehemaligen Heiminsassin gelesen.“ Den Namen nannte er ihr nicht, aus Angst, sie würde durch Fragen nach ihrer alten Freundin vom Thema ablenken.
    „Also gut. Dann fahre ich fort und immer, wenn Ihnen etwas bekannt vorkommt, dann heben Sie einfach die Hand.“
    Manzetti zeigte sich einverstanden.
    „Ein Mann, der als kleiner Junge in ein Heim nach Süddeutschland kam, erzählte mir später in den USA, dass er bei Minusgraden nackt auf den Hof treten musste und dort mit eiskaltem Wasser abgespritzt wurde.“ Sie unterbrach sich und sah in das leichenblasse Gesicht von Manzetti. „Ist Ihnen nicht gut?“
    „Doch, doch. Aber ich brauche ein Glas Wasser.“
    Sie holte eine Flasche ohne Kohlensäure aus dem Schrank, in dem auch der Wein gestanden hatte, und goss ihm ein. „Besser?“, fragte sie, als er das Glas geleert hatte.
    „Ja. Es geht schon.“
    „Ich kann auch aufhören, wenn es zu viel für Sie ist.“
    „Nein, nein. Machen Sie nur weiter.“
    „Und

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