Hawkings neues Universum
sprühenden Humor bewahrt. Was darf man „heroisch“ nennen, wenn nicht dieses?
„Wie allen düsteren Prognosen und Prophezeiungen zum Trotz ein erfülltes Leben möglich ist, hat Stephen Hawking mit seinem Leben gezeigt“, schrieb der Philosoph Klaus Mainzer vor einigen Jahren. „Seine Kraft, sein Lebensmut und seine Lebenslust sind sicher eine ebenso wertvolle Botschaft wie seine Leistungen als Wissenschaftler.“
Teil I
Lebenszeit
Wir hinterlassen im Universum unsere Spuren, und das alles gehört dazu. Die Erde ist eine Blume, die ihren Blütenstaub aussendet. Dinge gehen von ihr aus, und nun, da wir uns fortentwickeln, werden sie bedeutender und reichen weiter. Und das muss so sein, weil wir uns ins Universum ausdehnen müssen.
Neil Young (geb. 1945),
kanadischer Musiker und Poet
Kindheit: Über die Sterne hinaus
Stephen William Hawking wurde am 8. Januar 1942 geboren, genau 300 Jahre nach dem Tod des berühmten Physikers und Astronomen Galileo Galilei, wie er gerne betont – nicht ohne gleich einzuschränken: „Ich schätze, dass rund 200.000 andere Babys an diesem Tag ebenfalls das Licht der Welt erblickten. Ich weiß aber nicht, wer sich davon später auch für Astronomie interessierte.“ Obwohl seine Eltern damals in dem Akademikerviertel Highgate wohnten, einem Vorort von London, kam Stephen in Oxford zur Welt – eine nicht gerade einladende Welt, denn es herrschte Krieg. Zwischen August 1940 und Frühjahr 1941 griff die deutsche Luftwaffe immer wieder London und den Süden von England an. Einmal explodierte eine Bombe in der Nachbarschaft des Hauses, in dem Isobel und Frank Hawking lebten. Fenster barsten und Glassplitter schossen wie Pfeilspitzen durch den Raum. Hawkings Eltern wollten daher kein Risiko eingehen, auch wenn die Attacken inzwischen aufgehört hatten, und bevorzugten das sichere Oxford. Wie Cambridge wurde es verschont, weil es einen Pakt gab, wonach die Royal Air Force im Gegenzug keine Angriffe auf Heidelberg und Göttingen flog.
Hawkings Mutter war mit ihren sechs Geschwistern in Glasgow aufgewachsen. Ihr Vater arbeitete als Arzt. Er ermöglichte ihr trotz der Kosten ein Studium an der Oxford University – in den 1930er Jahren für Frauen noch keine Selbstverständlichkeit. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften, Politik und Philosophie. Dann arbeitete sie als Finanzbeamtin und in anderen Berufen, die ihr keine Freude machten, und schließlich als Sekretärin in einem medizinischen Forschungsinstitut, dem National Institute of Medical Research. Dort lernte sie ihren späteren Mann kennen. Der Tropenmediziner war in Yorkshire aufgewachsen und hatte ebenfalls in Oxford studiert.
1943, 18 Monate nach Stephen, wurde seine Schwester Mary geboren. „Es heißt, ich sei über diesen Zuwachs nicht sehr erfreut gewesen“, erinnert sich Hawking später. „Unsere ganze Kindheit hindurch lag eine gewisse Spannung zwischen uns, die durch den geringen Altersunterschied genährt wurde. Später, als wir erwachsen wurden und verschiedene Wege gingen, hat sich unser Verhältnis gebessert.“ Zur Freude des Vaters wurde Mary Ärztin. 1946, als Stephen fast fünf war, kam seine zweite Schwester Philippa zur Welt. „Ich weiß noch, dass ich mich auf ihre Geburt freute, wegen der Aussicht, zu dritt spielen zu können. Sie war ein sehr aufgewecktes Kind. Ich habe immer viel auf ihr Urteil und ihre Meinung gegeben.“ Als Stephen 14 war, kam noch Edward, 1955 geboren, als Adoptivkind in die Familie. Er wurde später Bauunternehmer.
Bis 1950 lebte Stephen mit seinen Eltern in einem viktorianischen Haus in Highgate. Als er mit zweieinhalb Jahren einen Privatkindergarten besuchen sollte, wehrte er sich schreiend – was seine früheste Erinnerung ist –, so dass seine Eltern ihn erst eineinhalb Jahre später wieder dorthin brachten. Statt eine staatliche Grundschule besuchte er dann die private Byron House School, profitierte davon aber wenig. „Die Lehrer glaubten nicht an die damals üblichen Methoden, Kindern den Stoff einzutrichtern. Stattdessen sollten sie lesen lernen, ohne zu merken, dass es ihnen beigebracht wurde“, erinnerte er sich später. „Schließlich lernte ich doch lesen, aber erst, als ich bereits mein achtes Lebensjahr erreicht hatte.“
1950 zog das Forschungsinstitut, in dem Frank Hawking mittlerweile die Parasitologie-Abteilung leitete, nach Mill Hill um, einem Außenbezirk Londons. Deshalb kauften sich die Hawkings ein geräumiges viktorianisches Haus 15
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