Hei hei er und dann
richtig vorgelesen hatte. Ramirez musste wegen eines Formfehlers freigelassen werden. Es war nicht das erste Mal, dass Jake so etwas erlebt hatte, aber diesmal war es der sprichwörtliche Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Er hatte einen miesen Verbrecher zur Strecke gebracht, nur um mit anzusehen, wie das amerikanische Rechtssystem seine Bemühungen vereitelte.
Der Detective, den Ramirez getötet hatte, war ein guter Mann gewesen – ein Mann, der Frau und Kinder hinterließ –, und es wäre Jake lieber gewesen, die tödliche Kugel hätte ihn getroffen. Er hatte keine kleinen Kinder, die ihren Vater brauchten. Jakes Wochenendbesuche und Anrufe bei Franks Familie waren kein Ersatz für das, was wirklich fehlte.
„Ich habe das System satt, und die Routine hängt mir schon lange zum Hals heraus“, erklärte Jake seiner Schwester ohne Umschweife.
„Frank ist tot, und du willst einfach aufgeben?“
Rina klang ungläubig, vielleicht weil sie Jake besser verstand als jeder andere. Sie wusste, wie tief seine Freundschaft mit Frank und dessen Familie ging, und sie kannte den Schmerz, jemanden zu verlieren. Aber sie kannte auch ihren Bruder. Jake Lowell warf nicht so schnell das Handtuch.
„Ich lenke nur meine Energien um“, wich er aus. Er wollte Rina nicht aufregen, indem er ihr erzählte, dass er vorhatte, Franks Mörder auf eigene Faust zu suchen.
Man konnte Ramirez nicht noch einmal wegen der gleichen Vergehen verhaften, doch der Kerl handelte zweifellos weiter mit Rauschgift und würde irgendwann einen Fehler machen. Jake ermittelte inoffiziell gegen ihn, und zwei befreundete Kollegen versorgten ihn mit Informationen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er Ramirez erwischte. Aber er konnte sich nur so lange ungestört auf diesen Fall allein konzentrieren, wie er wegen Krankheit beurlaubt war.
Außerdem brauchte er eine Auszeit, um herauszufinden, welchen Weg er künftig gehen wollte. Hatten der harte Berufsalltag und die Enttäuschungen ihn schlicht ausgelaugt, oder steckte mehr dahinter? Jake wusste keine Antwort darauf. Und er ahnte, dass ihm auch keine einfallen würde, solange Ramirez frei herumlief.
Seine Verletzung war die perfekte Entschuldigung für ihn, sich den Rücken freizuhalten. „Können wir das Thema wechseln?“, fragte er.
Rina zuckte mit den Schultern. „Wie du willst. Lass den Muskel verkümmern, bis du ihn gar nicht mehr bewegen kannst. Wenn du dann wieder arbeiten willst, wirst du durch den körperlichen Eignungstest fallen und …“
„Rina“, unterbrach er sie mit warnender Stimme.
Kapitulierend hob sie die Hände. „Okay, ich hör ja schon auf. Wirst du nun in meinem Apartment wohnen, während ich weg bin?“
Jake zog eine Augenbraue hoch. „Könntest du den Hund nicht in eine Hundepension geben?“
„Norton mag keine Hundepensionen. Und wenn du dich nicht um ihn kümmerst, werde ich zu Hause bleiben müssen.“
„Schon gut“, erwiderte Jake resigniert. Es war im Grunde egal, wo er sich einrichtete, solange er kommen und gehen konnte, wann er wollte. Außerdem würde er freier agieren können, sobald Rina die Stadt verlassen hatte. „Du sollst fahren, und wenn es dich beruhigt, werde ich in dein Apartment ziehen und sogar mit dieser seltsamen Kreatur öffentlich spazieren gehen.“ Er bemühte sich, seiner Stimme dabei einen humorvollen Klang zu verleihen, damit Rina kein schlechtes Gewissen hatte.
Ihre Augen leuchteten auf, wie Jake es nach dem Tod ihres Mannes nicht mehr gesehen hatte. „Oh, ich danke dir.“ Sie sprang auf, legte den Arm um seine unversehrte Schulter und küsste ihn auf die Wange. „Danke. Du kannst dir nicht vorstellen, wie deprimierend es für mich ist, allein in dem Penthouse zu sitzen. Diese Reise wird mir helfen, die Erinnerungen zu bewältigen.“
„Das ist alles, was ich mir für dich wünsche.“ Er drückte sie. „Könntest du mich jetzt bitte loslassen, bevor wie aneinander kleben bleiben?“
Rina lachte und setzte sich wieder hin. „Nun, da wir mein Leben fürs Erste in Ordnung gebracht haben, ist es Zeit, dass wir uns mit deinem beschäftigen.“
Jake stöhnte. „Ich wusste, dass du keine Ruhe geben würdest. Ich mache dir einen Vorschlag. Fahr nach Italien und amüsier dich. Komm glücklich zurück, und dann kümmern wir uns um mein Leben.“ Bis dahin würde er Ramirez gefasst haben.
Rina dachte allerdings offensichtlich nicht nur an seine berufliche Zukunft. Sie schaute über ihre Schulter. „Ich
Weitere Kostenlose Bücher