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Heidelberger Requiem

Heidelberger Requiem

Titel: Heidelberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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streichelte die Hand von Grotheer, der so aussah, als wäre er schon tot. Krahl schien sehr erschöpft zu sein. Seine Lider flackerten manchmal für Augenblicke. Wenn ich ihn lange genug hinhielt, würde er vielleicht irgendwann einnicken. Wieder strich eine der Katzen um meine Beine und rieb ihren Kopf an meinem Unterschenkel. Die Katzen! Was, wenn eine von ihnen auf die Couch springen würde und ihn ablenkte, ihn für kurze Zeit in seinen Bewegungen behinderte? Das war vielleicht eine Chance, die entscheidenden Zehntelsekunden zu gewinnen.
    »Was haben Sie davon, wenn Sie ihn auch noch umbringen? Der Mann hat doch wirklich schon mehr als genug gelitten für etwas, was er nicht mal getan hat.«
    Er reagierte nicht.
    »Erzählen Sie mir von Ihren Kindern, Krahl.«
    »Halten Sie einfach die Klappe, solange Ihnen nichts Gescheites einfällt«, schnauzte er mich an.
    Ich kam einfach nicht an ihn heran. Es gelang mir nicht, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Es gab kein Lockmittel, das ihn nachdenklich machen konnte, keine Drohung mehr, die ihn verunsichern würde. Hätte ich das Haus doch lieber stürmen lassen sollen, wie Balke vorgeschlagen hatte? Aber es ist so verflucht riskant, ein Haus zu stürmen, in das man nicht hineinsehen kann. Und so, wie ich die Situation jetzt beurteilte, hätte Grotheer die Aktion nicht überlebt.
    »Ich mach uns mal ’nen Kaffee«, murmelte Helen Gardener und erhob sich. »Sie möchten doch auch einen?« Sie sah mich an.
    Mir war alles Recht, was Zeit verstreichen ließ. Ich erhob mich ebenfalls. »Ich helfe Ihnen beim Abräumen.«
    »Sie werden fein sitzen bleiben.« Krahl hielt schon wieder seinen Revolver in der Hand. Die Mündung war genau auf meinen Bauchnabel gerichtet. »Wenn Sie diesen Raum verlassen, dann ist der hier tot, wenn Sie zurückkommen.«
    Also setzte ich mich wieder. Es war eine Patt-Situation. Eine verfluchte Zwickmühle. Gleichgültig, was ich tat, es war das Falsche. Wenn ich mich auf ihn stürzte, um ihn zu entwaffnen, dann riskierte ich mein Leben. Wenn ich es unterließ, riskierte ich das von Grotheer. Natürlich war das Haus längst umstellt, natürlich lagen rundum schwarz vermummte Scharfschützen im Gebüsch, standen Tränengaswerfer in Stellung und Leute vom Sondereinsatzkommando in Bereitschaft, auch wenn man hier drinnen nichts davon bemerkte. Aber was half das? Was sollte man gegen einen Mann unternehmen, dem nichts mehr am Leben lag? Das Gespräch in Gang halten. Ich musste das Gespräch in Gang halten. Je länger es dauerte, umso größer war meine Chance, dass er unaufmerksam wurde.
    Frau Gardener kam mit einem Tablett und vier dampfenden Tassen. Sie stellte vor jeden von uns eine hin, nahm wieder Platz und strahlte ihren Geliebten an wie zuvor. Ich beneidete sie um ihre Naivität, um ihre Ahnungslosigkeit. Der Kaffee schmeckte bitter. Er musste aus einer seit Monaten offenen Packung stammen. Tapfer schlürfte ich. Ihr schien er zu schmecken. Grotheer probierte seinen gar nicht erst.
    Wieder und wieder spielte ich alle denkbaren Szenarien durch. Krahl konnte plötzlich den Revolver nehmen und ihn Grotheer an den Kopf halten. Dann musste ich schneller sein als er. Ich war kein besonders guter Schütze und ziemlich aus der Übung. Eine winzige Hoffnung lag darin, dass er einfach nur sich selbst erschoss, wenn er seine Überlegenheit lange genug ausgekostet hatte. Gab es andere Möglichkeiten? Was um Himmels Willen plante er?
    Seit Minuten war es wieder still. Das war schlecht, sehr schlecht. Ich musste mit ihm reden, doch mir fiel nichts ein. Von fern hörte ich den Verkehr der Autobahn durch die geschlossenen Fenster. Schließlich leerte ich meine Tasse und ließ die Hände sinken.
    »Sie geben auf?«, fragte Krahl sofort.
    »Tun Sie, was Sie für richtig halten. Sie haben gewonnen. Ich kann Sie nicht daran hindern. Dass Sie hier nicht ungeschoren wegkommen, brauche ich Ihnen nicht zu sagen.«
    »Nein«, erwiderte er lächelnd. »Das brauchen Sie wirklich nicht.« Er nahm einen großen Schluck aus seiner Tasse. »Grauenhaft. Dieses Gesöff schmeckt ja echt grauenhaft.« Er schüttelte sich.
    Helen Gardener schien es nicht gehört zu haben. Sie war ganz auf Grotheer konzentriert und streichelte immerzu seine Hand. Der stierte apathisch vor sich hin und hatte seine Tasse noch immer nicht angerührt.
    Krahl lehnte sich zurück. Für Sekunden sah er wieder sehr erschöpft aus, vielleicht fiel die Anspannung jetzt langsam von ihm ab. Er fühlte sich als

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